In Gedanken bei dir (German Edition)
er sich vor sie hin und nahm sie fest in die Arme, um
sie zu trösten.
Nick
besann sich. »Ich brauch mal deinen Rat, Kumpel.«
Connor
strahlte ihn an. »Okay.«
Eine
Möwe drehte kreischend ihre Runde über dem Dock, als Nick sich auf den Steg zu
Cassies Hausboot hockte. Er ließ die Beine über dem Wasser baumeln und winkte
Connor neben sich. Der Junge lehnte sich gegen ihn, als Nick einen Umschlag
hervorzog und ihm zeigte. »Guck mal, ich hab im Internet ein Geschenk für Jolie
gekauft.«
»Was’n
das?«
»Ein
Stern.«
Da
guckte er! »Echt jetzt? Wie der kleine Prinz einen Stern hat?«
»Na
ja, so ähnlich. Erst wollte ich ihr eine Sternschnuppe kaufen, du weißt schon,
weil die Glück bringen. Aber dann hab ich mich für einen echten Stern
entschieden. Die Galaxien, die ich mir angesehen habe, haben mir nicht gefallen.
Zu viel dunkle Materie und zu viele schwarze Löcher – solche Galaxien sind
echte Mogelpackungen, die bestehen zum größten Teil aus Nichts. Und Jolie ist
sowieso kostbarer als alle Sterne des Himmels.«
Connor
kicherte. »Welchen Stern hast du denn für Jolie gekauft?«
Nick
warf einen Blick zum Himmel. »Er ist noch nicht zu sehen. Ich schick dir
nachher eine Mail mit der Nummer des Sterns auf den Sternkarten. Dann kannst du
Jolies Stern bei Google Sky suchen. Und vielleicht am Nachthimmel finden.«
»Au
ja, das mach ich.«
»Und,
wie ist das?«
»Ich
bin total geflasht.«
»Du
meinst, Jolie wird sich freuen, wenn ich ihr morgen von ihrem Stern erzähle?«
»Na
klar«, meinte Connor. »Du bist der coolste Daddy von der ganzen Welt.«
Nick
legte dem Kleinen die Hand auf die Schulter und schüttelte ihn durch. »Und du
bist der beste Freund von allen.«
Cassies Hausboot hatte drei Stockwerke, von den
Kellerräumen unter der Wasserlinie bis zum Dachgeschoss mit schrägem Dach. Der
Steg führte auf einen Vorplatz mit Bäumchen in Terrakottagefäßen und einer
blühenden Bougainvillea, die sich an der hölzernen Hauswand hochrankte. Von
hier aus genoss man einen unvergesslichen Blick über die Liberty Dock Alley und
die grünen Hügel von Sausalito, über die am späten Nachmittag bereits wieder
der Nebel floss. Dahinter ragten die rostroten Pfeiler der Golden Gate Bridge
in den tiefblauen Himmel.
Auf
den Stufen vor der Haustür fand Nick wie so oft einen frischen Blumenstrauß und
eine Auflaufform mit köstlich duftender Lasagne, beides von den Nachbarn
nebenan abgeliefert. Oft stellten sie die Blumen aus ihren Vorgärten und die
selbst gekochten Speisen auf die Stufen, weil sie Cassie und ihn nicht stören
wollen – sie hatten nur wenig Zeit füreinander, weil fast immer einer von ihnen
bei Jolie in der Klinik war, oft auch über Nacht.
Aber
manchmal kamen ihre Freunde von gegenüber auch mit einem eisgekühlten Sixpack
unter dem Arm vorbei, um ihnen Mut zuzusprechen und sie mit ihrer
unkomplizierten Lebensfreude zum Lachen zu bringen. Ihre Freunde schienen die
letzten Überlebenden des Summer of Love von 1967 zu sein. Sie stiegen immer
noch in ihre zerrissenen Jeans und flochten sich Blumen ins Haar, wenn Scott
McKenzies San Francisco über das Wasser hallte .
Andere
Nachbarn gingen Cassie und Nick aus dem Weg, verschwanden rasch vom Steg ins
Haus, wenn sie mit oder ohne Jolie vorbeikamen, senkten mit verkniffenen Lippen
den Blick, wenn sie ihnen nicht mehr ausweichen konnten – als ob Unglück
ansteckend wäre.
Mit
den Tüten, den Blumen und der Auflaufform im Arm versetzte Nick der Haustür
einen Tritt, um sie zu schließen, und ging durch Cassies Wohnzimmer in die
offene Küche, wo er alles auf den Tresen stellte. Die Lasagne schob er in den
Kühlschrank – die würde es morgen Abend geben, wenn er aus der Klinik kam.
Darauf freute er sich schon.
Außer
einem Stapel zerlesener Clive-Cussler-Romane in Cassies Wohnzimmerregal und ein
paar Freizeitklamotten in ihrem Kleiderschrank hatte er auf diesem Hausboot in
den letzten zwei Jahren ihrer On/Off-Beziehung nicht viele Spuren hinterlassen
– außer nassen Fußabdrücken, wenn er in der Bay geschwommen war. Okay, ein
Joke.
Der
große Raum mit der hohen Galerie und der Wendeltreppe bis unter das schräge
Dach war ganz in Cassies Stil gehalten. Viel Licht, viel Weiß, ein bisschen
funkelndes Kristall zwischen den weißen Orchideen, ein paar Farbtupfer auf dem
hellen Ledersofa: Seidenkissen in den leuchtenden Schattierungen des Abendrots.
Es war toll, ja klar. Aber Nick würde gern noch ein paar dunkle Akzente
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