In Gedanken bei dir (German Edition)
versuchen? Cassie drückte die Kurzwahl. »The
person you have called is temporarily not available.« Sie hinterließ keine Nachricht, beendete den
Anruf und schaltete ihr Smartphone wieder aus. In ihrer Anrufliste hatte sie
noch mehr besorgte Anrufe von mitfühlenden Freunden entdeckt. Während des
Abendessens mit Alex, von dem so viel abhing, wollte sie einfach nicht gestört
werden.
Cassie
schlenderte durch den kleinen Laden und stöberte in den Auslagen. Am Eingang
gab es Drehständer mit T-Shirts und Fleece-Pullovern in Kindergrößen.
In
den Bücherregalen fand sie neben den The Story behind the Scenery -Heften,
die es in jedem Nationalpark zu kaufen gab, Bilderbücher über Vulkane, Tiere
und Fossilien, alles kindgerecht illustriert und erklärt. Das Buch über Bären
im Nordwesten gefiel ihr. Die Aufnahmen waren sehr schön. Das war genau das
Richtige für ihre kleine Abenteurerin.
Im
Regal mit den Plüschtieren suchte Cassie nach einem Bären, der am Mount St
Helens leben könnte, aber es gab nur verschiedene Vogelarten. Sie ging weiter,
warf einen Blick in die Glasvitrine mit Mount St Helens Jewelry, drehte den
Ständer mit Postkarten und den mit Magneten und steuerte schließlich auf die
Big Foot Corner zu. Nee, oder? Wurde Big Foot hier auch schon gesichtet? Hey,
das glaubte ja nicht mal Jolie!
Cassie
legte das Buch über die Bären im Nordwesten auf den Kassentresen und betrat das
Foyer: kein Alex.
Kommt
er überhaupt noch?, fragte sie sich. Oder hat er es sich plötzlich anders
überlegt?
Ja
klar, ein Abendessen bei Kerzenschein ist schon was anderes als eine
unbeschwerte Wildniswanderung oder eine Tauchexpedition, bei der wir zusammen
lachen, so wie früher.
Das
große Gespräch, das wir nie geführt haben, ein ernsthaftes Gespräch über die
Gefühle, die wir noch füreinander hegen, über unsere unerfüllten Lebensträume,
über unsere frustrierten Bedürfnisse, über unsere Hoffnungen und Ängste, das
kann einem schon Angst machen – mir jedenfalls, und ihm vermutlich auch.
Er
weiß ja, dass ich nach seinem Brief die Nacht durchgefahren bin, um mit ihm zu
reden.
Und
ich weiß, dass er das Bild von Jolie auf meinem Smartphone gesehen hat, bevor
ich es ausgeschaltet habe.
Im
Gift Shop schlenderte Cassie zu den Drehständern mit den T-Shirts für Kids.
Hey, die waren wirklich süß! Dieses pinkfarbene Shirt könnte Jolie passen!
Alex parkte seinen Blazer neben Cassies
Wildtrak und schaltete den Motor aus. Die Musik im CD-Player verstummte, aber
die Melodie von Telegraph Road klang noch in ihm nach. In einer
verstörend melancholischen Stimmung lehnte er seinen Kopf gegen die
Nackenstütze und atmete kurz durch. Das war immer ihr Lied gewesen, von der
ersten Nacht an.
Mit
der Faust schlug er gegen das Lenkrad. Aus Wut, weil Cassie ohne Vorwarnung
hierher gekommen war und ihn zu einer Entscheidung zwang? Nein, schon eher aus
Verunsicherung, was das Abendessen gleich bringen würde.
Ein
romantisches Candle Light Dinner zu zweit, der Sternenhimmel über ihnen,
weiches Licht auf Cassies Haut, ein Funkeln in ihren Augen, ihre Hand in
seiner, nostalgische Gedanken an eine Zeit der Verliebtheit ...
Alex
schüttelte den Kopf und schnaufte durch die Nase. Was er jetzt dringend
brauchte, war eine große Dosis Realität.
Bevor
er ausstieg, checkte er die eingegangenen Nachrichten auf seinem Smartphone.
Das Cascades Volcano Observatory hatte sich wegen der Gasprobe aus dem Spirit
Lake gemeldet. Alex überflog die Messwerte und schrieb einen kurzen Kommentar.
Die
nächste Nachricht war eine Visual Voice Mail von Marlee. Es dauerte ein
bisschen, sie herunterzuladen. Aber dann tauchte ihr Gesicht auf dem Display
seines Smartphones auf. Marlee saß am Küchentisch und hielt ihr Handy vor sich,
um die Nachricht aufzunehmen. Im Hintergrund sah er Jaycie im Kühlschrank
stöbern.
Er
drückte die Play-Taste.
Marlee
lächelte, aber trotzdem wirkte sie ernst. »Hi, Schatz. Ich muss jetzt weg.
Jordan hat Probleme in der Schule. Keine Ahnung, was er jetzt schon wieder
angestellt hat. Seine Lehrerin will mit mir reden. Ich fahre also jetzt zu ihr.
Aber bis zehn, wenn wir skypen, bin ich wieder zurück.« Marlee senkte kurz den
Blick, dann sah sie ihm wieder in die Augen. Sie sprach jetzt leiser, damit
Jaycie, die sich immer noch am Kühlschrank herumdrückte, sie nicht verstehen
konnte. »Alex, ich vermisse dich. Heute ist wieder so ein Horrortag, bei dem
ich wünschte, du wärst
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