ihr dieses Herz gekauft und geschickt
hatte, damit es vor ihm in San Francisco wäre. Wie Jolie sich gefreut hatte,
als sie das Päckchen mit den hübschen Koalabärchen- und Kängurubaby-Briefmarken
aufgerissen und das Plüschherz herausgezogen hatte! Wie fest sie es umarmt hatte!
Cassie hatte ein Foto von ihrem strahlenden Lächeln gemacht und mit dem
Smartphone sofort an Coop gemailt. Als der Anruf kam, dass er gestorben war,
legte Jolie das Herz, das sie an einen Transfusionsbeutel für die
Knochenmarkspende erinnerte, zu den anderen Sachen in die Box. Cassie glaube,
sich von diesem Plüschherz zu trennen, war das Schlimmste für Jolie gewesen.
Denn damit hatte sie ihre Hoffnungen auf ein unbeschwertes Leben für immer
aufgegeben.
Heiße
Tränen schossen ihr in die Augen, als ihr bewusst wurde, dass das alles erst
wenige Tage her war.
Mein
Kind stirbt, dachte sie traurig, und ihr Herz tat ihr weh. Ich habe Jolie das
Leben geschenkt, aber ich kann sie nicht retten. Ich will meine Kleine
beschützen, aber ich schaffe es nicht.
Ganz
unten in der Wunschbox lag ein Foto von Alex und ihr als verliebtes Paar, das
am Strand in Kauai herumtollte. Sie wusste gar nicht, dass Jolie dieses Foto in
die Schachtel gelegt hatte.
Cassie
strich mit dem Finger über den Farbausdruck. Alex hatte seine Jeans
hochgekrempelt, und die heranrauschenden Wellen des Pazifiks umspielten seine
nackten Füße. Er hatte Cassie von hinten gepackt und schwungvoll hochgehoben.
Ausgelassen lachend lehnte sie sich gegen ihn, breitete weit die Arme aus und
strampelte mit den Beinen. Ihre langen Haare flogen in der warmen Brise, ihre
Augen leuchteten, und sie jauchzte vor Lebensfreude.
Aufgewühlt
fragte sie sich, wieso Jolie ausgerechnet dieses Foto von Mommy und Daddy in
die Box gelegt hatte: Weil ich auf dem Foto so unbeschwert lache? Weil Alex und
ich uns lieben? Weil wir eine Familie sind – obwohl Jolie nicht mit auf dem
Foto ist? Damals war ich noch nicht mit ihr schwanger ... und bald wird sie
sterben.
Ich
wünschte, es gäbe auch nur ein einziges Foto, auf dem wir alle drei zu sehen
sind.
Und
plötzlich wusste sie, was sie tun musste. Sie packte alles zurück in die
Wunschbox, sprang aus dem Bett und zog sich an. Mit der Jacke und dem Rucksack
stürmte sie hinunter zur Rezeption.
Jetzt
noch?, fragte der junge Mann, der ihr vorhin den Zettel mit Nicks Nachricht
gegeben hatte. Dann zuckte er mit den Schultern: Na gut, wie Sie wollen, Ma’am.
Und wann kommen Sie zurück?
Mit
dem Schlüssel in der Hand rannte Cassie wenig später über den nächtlichen
Parkplatz.
Von: Nick
[email protected] An: Cassie
[email protected] 10.08.2012 / 23:37
Betreff:
Jolies Zustand
Cassie,
warum rufst Du mich
nicht an? Jolie geht es immer schlechter. Sie ist müde und apathisch, und sie
hat heftiges Fieber. Sie bekommt jetzt wieder Transfusionen. Nicht, weil ich
Karen diese Behandlung erlaubt habe. Nein, weil Jolie sie darum gebeten hat.
Unsere Kleine hat erkannt, in welcher Situation ich mich befinde. Ich bin nicht
ihr Daddy. Ich kann nicht über Therapien entscheiden – Karen war da sehr
deutlich. Aber Jolie ist einfach unglaublich. Bei all ihrem sanften und
liebevollen Auftreten hat sie eine erstaunliche innere Stärke. Wie sie das
alles erträgt!
Heute Abend ist Jolie
auf die »Tensiv«-Station gebracht worden, wie sie immer sagt. Trotz der
Infektionsgefahr lege ich mich zu ihr ins Bett und kuschele und rede mit ihr
und ihrem Teddy, der wieder eingeschweißt und desinfiziert ist. Karen kommt
jede halbe Stunde vorbei. Sie staunt über Jolies bezauberndes Lächeln und ihren
verschmitzten Humor. Jolie nennt das alles »Happy Hour«. Ich bin so stolz auf
unsere Kleine.
Aber sie macht mir
auch ein bisschen Angst. Denn sie stellt mir jetzt immer öfter Fragen über den
Tod. Vorhin wollte sie wissen, ob sie Katie treffen wird, wenn sie in den
Himmel kommt. Ich fühlte mich, als breche der Boden unter meinen Füßen weg. Ich
sagte ihr, dass Katie auf sie warten würde, und ich musste dabei weinen. Ich
kann mir ein Leben ohne sie einfach nicht vorstellen.
Jolie ist jetzt
eingeschlafen. Sie ist so hübsch. Aber der Verlust ihres feinen Haares und ihre
Blässe lassen sie sehr verletzlich aussehen. Ich möchte sie in die Arme nehmen
und festhalten, damit niemand, nicht einmal der Tod, sie mir fortreißen kann,
aber ich will sie nicht aufwecken. Ich sitze jetzt an ihrem Bett und warte mit
dem