Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In goldenen Ketten

In goldenen Ketten

Titel: In goldenen Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
zuversichtlich.
    »Wagen Sie ja nicht, mir noch
mal mit dem Messer zu kommen.«
    »Keine Chirurgie diesmal«,
versicherte ich ihr. »Das bedarf lediglich eines Internisten.«
    Sie brach in eine Reihe von
Lachanfällen aus, die diesmal lediglich ihren Bauch erschütterten. Das dauerte
ungefähr eine Minute, dann stieß sie plötzlich einen schrillen Schrei aus, und
danach hörte ich noch nicht einmal mehr Gekicher. »Rick«, sagte sie einige Zeit
später mit kehliger Stimme, »das ist eine wunderbare
Kur! Warum läßt du sie nicht patentieren?«
    »Sie hat ihre Grenzen«, gestand
ich. »Stell dir vor, jemand wendet sie mitten in einem Warenhaus an?«
    »Du meinst, zum Beispiel bei Clancys ?« Ihr krampfhaftes Gelächter schleuderte meinen
Kopf hin und her wie ein Floß auf stürmischer See. »Erinnerst du dich an Clancys Warenhaus? Es liegt drei Häuserblocks von der Bar
entfernt, die sie über Nacht aufgebaut haben. Die, in der man Pferde auf Eis
serviert!«
    Ein ganzer Katarakt von
Gelächter überschüttete mich, als ich den Kopf hob und ihr wütend ins Gesicht
blickte.
    »Hör auf damit«, zischte ich.
»Sonst muß ich mit der ganzen Kur von vom beginnen .«
    »Ich weiß«, wimmerte sie
beglückt. »Genau auf das will ich hinaus!«
     
     
     

SECHSTES KAPITEL
     
    G egen zehn Uhr am nächsten Morgen,
als das Taxi eintraf, sagte ich zu Jackie Erikson auf Wiedersehen. Das einzige
Kleidungsstück aus meiner Garderobe, in das sie ihre Hüften hatte
hineinquetschen können, waren karierte Bermudashorts, und sie paßten nicht allzu gut zum Rest ihrer Cowgirlausstattung ,
dem breitrandigen Stetson und allem übrigen. Aber, wie ich ihr ungefähr
fünfzigmal geduldig erklärt hatte, sie zu tragen, war in jedem Fall einem
schieren Nichts zwischen ihrem Rohledergürtel und den weißen Kalbslederstiefeln
vorzuziehen. Nachdem das Taxi aus der Zufahrt verschwunden war, kehrte ich ins
Haus zurück, rief das Schönblick-Sanatorium an und bat, mit Schwester Dempsey
verbunden zu werden.
    »Hier Rick Holman «,
sagte ich, als sich ihre leicht heisere Stimme schließlich meldete.
    »Ja, Mr. Holman ?«
    »Ich habe mir überlegt,
vielleicht würde ich doch gern von Ihrem Angebot, unsere Abmachung zu
bekräftigen, Gebrauch machen, zumal heute Freitag ist und Sie das ganze
Wochenende über frei haben«, sagte ich. »Wollen Sie nicht Ihr Köfferchen packen
und gegen fünf Uhr heute abend zu mir nach Hause
kommen?«
    »Ich bin entzückt«, sagte sie,
ohne einen Augenblick zu zögern. »Nur, was hat Sie bewogen, Ihre Ansicht zu
ändern, wenn ich fragen darf?«
    »Der Gedanke, daß Sie in dieser
durchsichtigen Nylonunterwäsche herumgehen könnten!«
    »Bitte, solange ihre
Klimaanlage nicht auf dem Gefrierpunkt angelangt ist«, gurrte sie. »Wo wohnen
Sie?«
    Ich gab ihr die Adresse, sagte
auf Wiedersehen und legte auf. Der Gedanke an die rothaarige Schwester, die im
Wohnzimmer in durchsichtiger Nylonunterwäsche herumstolzierte, wirkte — nach
einer Nacht, die den wiederholten Demonstrationen der patentierten Holman -Kur gegen Schluckauf gewidmet gewesen war — als
Aussicht ungefähr ebenso erregend wie ein Glas warmer Limonade. Es war Zeit,
mich an einen Psychoanalytiker zu wenden, und ich suchte mir die Nummer auf der
Liste, die Raymond Paxton mir gegeben hatte, heraus.
Dr. Shoemakers Stimme klang nicht im mindesten überrascht, als ich ihm meinen
Namen nannte und ihm erklärte, ich wolle mit ihm über Carmen Colenso sprechen. Er fragte lediglich, ob es mir recht sei,
um elf Uhr in seine Praxis zu kommen. Ich sagte, mir sei es recht. Wieder legte
ich auf, und ich fragte mich, ob dieser Morgen den Beginn einer ganz neuen Welt
darstelle, in der jeder Mensch allein auf meine Fragen hin das tat, was ich
wollte.
    Die Praxis lag im neunten Stock
eines Wolkenkratzers am Wilshire Boulevard. Das
elegante blonde Mädchen am Empfang ließ mir ein so warmes Lächeln zukommen, als
sei ich bereits der Lieblingsirre des Doktors. Sie winkte mir, in sein
Ordinationszimmer zu treten. Shoemaker war ein großer, schlaksiger Bursche von
Mitte Dreißig, dessen Haar sich vorzeitig zu lichten begann. Seine blauen Augen
mit den schweren Lidern hatten einen Ausdruck scharfsinniger Milde, der gut zu
seinem blauen, langärmeligen Orionhemd und dem weißen Cordanzug paßte . Vermutlich fühlte sich jeder Patient mit einer
ausgewachsenen Neurose beruhigt, wenn er sah, daß der Psychoanalytiker
offensichtlich davon überzeugt war, das Zurechtbiegen eines verqueren

Weitere Kostenlose Bücher