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In Gottes Namen

Titel: In Gottes Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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Die Jury wies einen Antrag seines Anwalts, ihn nur für bedingt schuldfähig zu erklären, zurück und verhängte in fünf Fällen die Höchststrafe. Mein kurzes Gespräch mit Mr. Burgos vor acht Jahren war das einzige und letzte Interview, das er je gab.«
    Der Kamerawinkel wechselt, und Carolyn Pendry nimmt eine neue Position ein. »Hat Terry Burgos die gewalttätigen Zeilen von Tyler Skyes Song wirklich als Gottes Auftrag verstanden? Hat er den Tod für seine Taten verdient? Die Debatte dauert bis heute an. Meine Meinung in diesem Punkt jedoch ist eindeutig. Ein Mensch, der provozierende, spätpubertäre Gedichte als Botschaft des Allmächtigen auffasst, lebt nicht in unserer Welt. Terry Burgos wollte töten, der gleichgültigen Gesellschaft eins auswischen, und sein Gehirn hat nach einer Rechtfertigung dafür gesucht.«
    Eine dramatische Pause. Die Kameraperspektive wechselt erneut. »Die gängige juristische Definition von Schuldunfähigkeit passte nicht auf Terry Burgos, denn ihm war bewusst, dass er mit seinen Taten gegen das Gesetz verstieß. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass er wirklich schuldfähig war. Terry Burgos litt unter einer massiven paranoid-schizophrenen Störung und hat deswegen getötet. Sein Wissen, dass diese Handlungen gegen das Gesetz verstießen, ändert nichts an dieser Tatsache.
    Terry Burgos hatte es verdient, eingesperrt und therapiert zu werden. Den Tod hat er nicht verdient.« Sie nickt. »Das war das Sunday Night Spotlight mit Carolyn …«
    In dem düsteren Raum, zusammengekauert in einer Ecke, die vom einzigen Fenster aus uneinsehbar ist, legt Leo die Fernbedienung beiseite und starrt auf das verglimmende Fernsehbild, das einem schwarz-weißen Flimmern weicht. Verglimmen und Flimmern, Flimmern und Verglimmen. Er zieht die Beine an die Brust und hält den Atem an. Mit zusammengepressten Augenlidern lauscht er auf jedes noch so leise Geräusch, lauscht und lauscht.
    Die Stille des Hauses dröhnt in seinen Ohren.
    Ich bin nicht wie er.
    Er springt auf, als das Telefon klingelt. Sein Blick zuckt durch den Raum, während das Klingen sich wiederholt. Der Anrufbeantworter springt an. Leo hört seine eigene monotone Stimme, die den Anrufer bittet, eine Nachricht zu hinterlassen, gefolgt von einem langen, quälenden Piepton.
    »Leo, hier ist Dr. Pollard. Sie haben jetzt schon zwei Sitzungen versäumt und unsere Anrufe nicht beantwortet. Nehmen Sie regelmäßig Ihre Medikamente, Leo? Wir haben doch darüber gesprochen, wie wichtig das ist.«
    Ich vertrau dir nicht. Ich vertrau dir nicht mehr. »Ich werde Ihnen meine Privatnummer geben, Leo. Es ist wirklich unerlässlich, dass Sie mich anrufen.«
    Leo vergräbt den Kopf zwischen den Beinen. Er wartet darauf, dass der Arzt endlich zu reden aufhört und die Maschine sich abschaltet. Als endlich wieder Stille einkehrt, hebt er den Kopf.
    Ich bin nicht wie er.
    Er holt tief Luft. Denkt darüber nach.
    Ich bin besser.

Sonntag
    19. Juni 2005

10. Kapitel
    Leo kriecht das dunkle Treppenhaus hinauf, sein Körper streckt sich über vier Stufen, die Gliedmaßen ausgefahren wie eine Spinne. Sein Körpergewicht ist gleichmäßig verteilt. Die Stufen knarren nicht unter seiner Last. Und er kann nicht ausrutschen oder stolpern. Kein Knarren, kein Ausrutschen, kein Stolpern.
    Du hörst mich nicht kommen.
    Als er das Ende der Treppe erreicht, kann er ins Schlafzimmer spähen. Die Dunkelheit wird ausgedünnt vom Licht der Straßenlaterne draußen vorm Fenster. Im Raum herrscht absolute Stille bis auf das unregelmäßige Schnarchen Fred Ciancios, das sich anhört, als lägen Nase und Rachen miteinander im Clinch.
    Langsam richtet sich Leo auf. Sein eines Knie knackt, und er erstarrt für einen Moment. Von Fred Ciancio keine Bewegung. Nur laute, unrhythmische, schmatzende Schnarchgeräusche mit seitlich ins Kissen gedrücktem Kopf.
    Waffen. Halt Ausschau nach Waffen. Allmählich gewöhnen sich seine Augen an die Lichtverhältnisse.
    Keine Waffen. Nichts.
    Er hat Leo nicht erwartet.
    Leo zieht es mit der rechten Hand aus der hinteren Hosentasche.
    Ciancio wälzt sich herum. Eine Reaktion auf Leos Körperwärme, die das Klima im Raum verändert.
    Aber Leo ist nicht heiß.
    »Was …?« Ciancios Kopf fährt ruckartig hoch.
    Zwei große Sätze, und er ist beim Bett. Er landet auf Ciancio Brust, drückt mit der Linken seinen Kopf zurück ins Kissen, presst ihm die Hand auf den Mund.
    Er zeigt es ihm, hält die Spitze seiner Waffe zwischen Ciancio Augen. Dann

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