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In Gottes Namen

Titel: In Gottes Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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betreten zu müssen.
    Das mit dem Stirnriemen ist neu. Sie haben ihn eingeführt, nachdem sich ein Typ während der Erstickungskrämpfe den Kopf an einer Stahlstange hinter dem Stuhl blutig geschlagen hat. Unser Staat trägt gewissenhaft Sorge dafür, dass ein Verurteilter sich nicht selbst bewusstlos schlägt, und wir ihn ordnungsgemäß exekutieren können.
    Burgos, ein dicklicher Mann in Unterhosen, an einen Stuhl geschnallt, den Blicken der Zuschauer ausgesetzt, gibt ein klägliches Bild ab, doch offensichtlich scheint ihm das nichts auszumachen. Er zeigt so gut wie keine Regung. Lässt seinen Blick langsam von Zuschauer zu Zuschauer wandern, mit großen erstaunten Kinderaugen. Die letzten sieben Jahre hat er in vollständiger Isolation verbracht, und vielleicht hat dieser Moment sogar etwas Stimulierendes für ihn.
    Unter Burgos’ Stuhl befindet sich eine Schüssel, die eine Mischung aus Schwefelsäure und destilliertem Wasser enthält. Darüber hängt in einem Gazesäckchen ein Pfund Zyankalikapseln. Sobald der Direktor das Signal gibt, betätigt der Vollzugsbeamte neben der Gaskammer einen Hebel, das Zyanid fällt in die Flüssigkeit, und eine chemische Reaktion setzt Zyanwasserstoffgas frei.
    Tatsächlich sind es drei Hebel, die simultan von drei Wärtern betätigt werden. Zwei der Hebel bewirken überhaupt nichts, während der dritte die Kügelchen in die Säure senkt. Keiner der drei Wärter muss heute Nacht in dem Bewusstsein zu Bett gehen, derjenige gewesen zu sein, der den Mann getötet hat. Dem Staat mangelt es vielleicht an Mitleid mit seinen Mördern, aber nicht mit seinen Exekutionskommandos.
    »Ich bete zu Gott, dass er nicht die Luft anhält«, murmelt Carolyn. Offenbar hat sie ihre Hausaufgaben gemacht. Wenn Burgos gleich einen tiefen Atemzug von dem Gas nimmt, wird er innerhalb von Sekunden ohnmächtig und kann friedlich sterben. Hält er dagegen die Luft an und wehrt sich, befallen ihn höchstwahrscheinlich Krämpfe, und das Ganze kann sich bis zu zwanzig Minuten hinziehen.
    »Terrance Demetrius Burgos«, beginnt der Beamte, der sich das Clipbord in einem gewissen Abstand vors Gesicht hält. »Sie wurden von einem Gericht dieses Staates wegen fünf separater Verstöße gegen Artikel 4, Absatz 6-10(a) des Criminal Code verurteilt, als da sind: die Morde an Elisha Danzinger, Angela Mornakowiski, Jaqueline Davis …«
    Carolyn Pendry gibt einen unterdrückten Laut von sich, beugt sich vor und erbricht sich mit einem kehligen Grunzen auf meine Schuhe. Ich ignoriere die gallige Flüssigkeit auf meinen Füßen, biete ihr ein Taschentuch an und nehme ihre Hand, so dass sich unsere Finger verschränken. Sie will sich entschuldigen, aber dazu besteht kein Anlass. Sie wird nicht die Einzige sein, die so reagiert. Es steht sogar ein eigener Arzt für die Zeugen bereit.
    »… Sarah Romanski und Maureen Hollis.«
    Terry Burgos hat seit seiner Verhaftung gut zwanzig Pfund zugelegt, sein Doppelkinn drückt ihm auf die Brust und seine Augen sind nur noch Schlitze. Sein Schädel ist fast kahl; nur ein paar wirre Strähnen ragen über das Lederband um seine Stirn. Ich schaue ihm in die Augen, auf der Suche nach einem Zeichen von Reue oder Mitgefühl. Oder Angst. Ich gebe zu, ich will ihn leiden sehen.
    »… kam die Jury zu dem einstimmigen Beschluss, dass diese Morde vorsätzlich geschahen und unter Umständen, welche die Todesstrafe als angemessen …«
    Die allgemeine Anspannung hinter mir ist deutlich zu spüren. All die gemischten Gefühle der wütenden und zutiefst verletzten Menschen, die in den letzten Wochen diese Tragödie immer wieder neu durchleben mussten und denen nun endlich die Gerechtigkeit widerfährt, um die sie die Jury gebeten, ja, angefleht haben.
    »Sie haben eine Erklärung unterzeichnet, die vom Notar beglaubigt und vom Gericht bestätigt wurde, der zufolge Sie tödliches Gas als Todesart wählen.«
    Das, oder den elektrischen Stuhl. Ich hätte mich anders entschieden. Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als qualvoll zu ersticken.
    Ich mustere die zwei Telefone an der Wand, eines schwarz, das andere rot; Letzteres der heiße Draht zum Amtssitz des Gouverneurs. Ich spähe auf die Uhr. Punkt zwölf.
    Als ich wieder Burgos betrachte, bemerke ich, dass sein Blick auf mir ruht. Jetzt, da wir Augenkontakt haben, wird er mich ohne Zweifel so lange ansehen wie möglich. Ich frage mich, ob ich mich abwenden und ihm damit meine Verachtung demonstrieren soll, die er wahrscheinlich verdient

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