In Gottes Namen
Name und Datum.
»Sie sind jetzt fünfzehn Jahre selbstständiger Anwalt«, sagt sie zu mir. »Kurz nach der Verurteilung von Terry Burgos haben Sie Ihre eigene Anwaltsfirma gegründet?«
Ich erwidere nichts, lasse aber das berühmte Riley-Lächeln aufblitzen, das schon Frauen rund um den Globus schwach gemacht hat.
»Und wann hat Harland Bentley Sie als Anwalt für alle seine geschäftlichen Angelegenheiten eingesetzt?« Sie neigt den Kopf ein wenig zur Seite und schiebt mir den Rekorder unters Kinn. Als sie keine Antwort bekommt, fügt sie hinzu: »Nur ein paar Hintergrundinfos, Paul. Wir bringen eine Story über die Anklage gegen Almundo. Das ist kostenlose Werbung für Sie.«
Ich nicke freundlich und starre auf das Aufnahmegerät. Und dann fällt es mir ein. »Sie sind Carolyn Pendrys Tochter, richtig?«
Sie runzelt die Stirn angesichts dieser Bemerkung, die ihr in jeder Hinsicht unpassend erscheinen muss. Ganz offensichtlich ist sie eine Frau, die es allein schaffen will, ohne die Protektion ihrer berühmten Mutter, der Nachrichtenmoderatorin. Allerdings steht zu vermuten, dass überirdische Schönheit bei ihnen in den Genen liegt, auch wenn ich mir das letzte Mal, als ich mich in unmittelbarer Nähe einer Pendry befand, anschließend ihr Mittagessen von den Schuhen wischen musste.
»Ich muss los«, sage ich und reiche ihr meine Karte. Hartnäckig versperrt sie mir den Weg. »Nur ein paar kurze Fragen, Paul. Ich lade Sie auch auf einen Drink ein. Seien Sie doch nicht so, ein harmloser Drink nach Feierabend.«
Sie versucht, einen Fuß in die Tür zu kriegen und verfällt prompt wieder aufs Flirten. Bei ihrem Äußeren hat sie damit vermutlich in den meisten Fällen Erfolg. Warum auch nicht? Würde ich so aussehen, würde ich auch mit meinen Pfunden wuchern. Aber einem Kerl wie mir bleibt eben nur sein einnehmendes Wesen.
»Ich könnte in meinem Artikel Burgos erwähnen«, bietet sie an, während sie neben mir hertrabt. Solange ich sie nicht mit dem Ellbogen wegstoße oder in ein Taxi springe und die Tür hinter mir zuschlage, wird sie sich kaum abschütteln lassen. »Kann nie schaden, die Öffentlichkeit mal wieder daran zu erinnern, dass Sie für die Verurteilung des berühmtesten Serienkillers unserer Stadt zuständig waren.«
Mag sein. Fast jeder meiner potentiellen Klienten fragt mich irgendwann danach. Und jedes Mal ertappe ich mich dabei, wie ich die Geschichte mit all ihren Details wieder hervorkrame, den grausigen Tatort, das furiose Verteidigerteam und den Triumph, als die Jury schließlich verkündete, die erschwerenden Umstände der Tat überwögen die mildernden. Wobei ich jedoch regelmäßig versäume zu erwähnen, dass dieser Fall, obwohl langwierig und vielbeachtet, einer meiner einfacheren war.
»Da wir gerade davon sprechen – haben Sie Kontakt zur Bentley-Familie?«, fragt sie mich. »Haben Sie je mit Natalia gesprochen? Oder mit Gwendolyn Lake?«
Sie muss noch an ihren Überleitungen feilen. Warum gibt sie vor, etwas über Hector Almundo schreiben zu wollen, wenn sie in Wahrheit über Burgos und die Bentleys sprechen will?
»Würden Sie Cassie Bentley als ein schwieriges Mädchen beschreiben? Mit emotionalen Problemen?«
Wir haben das Ende der Plaza vor dem Gerichtsgebäude erreicht. Ich bleibe abrupt stehen und sehe Evelyn direkt ins Gesicht. Das weckt sofort neue Hoffnungen bei ihr, der Kassettenrekorder landet wieder unter meiner Nase, und sie beißt sich vor Aufregung auf die Unterlippe.
Offensichtlich heckt sie bereits die nächste Frage aus, während mich eigentlich viel mehr interessiert, was sie da mit ihrem Mund anstellt. Tja, Freud hatte wohl doch nicht so unrecht.
Harland Bentley hatte Natalia Lake geheiratet, die Erbin des Vermögens der Lake’schen Minengesellschaft. Natalias Schwester Mia Lake hatte mit ihrer Tochter Gwendolyn in Natalias und Harlands Nähe gelebt, auf der anderen Seite von Highland Woods – zwei riesige Villen, die den wohlhabenden Vorort flankierten, eine für jede Lake-Schwester. Mia war schon vor langer Zeit gestorben, irgendwann in den frühen Achtzigern, und Natalia hatte sich ihrer Nichte Gwendolyn Lake angenommen. Da die Familie grob geschätzt mehrere Milliarden besaß, hatte trotzdem niemand wirklich darben müssen.
Als sich Natalia und Harland kurz nach der Ermordung ihrer Tochter Cassie scheiden ließen, zog Natalia hinüber in die Villa, in der früher ihre Schwester gelebt hatte, und in der ihre Nichte vermutlich immer noch wohnte.
Weitere Kostenlose Bücher