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In Gottes Namen

Titel: In Gottes Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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trinken. Für Joel war der Burgos-Fall das Sprungbrett zu einer florierenden privaten Ermittlungsfirma, deren bester Kunde ich bin. Joel wollte eigentlich nicht mitkommen, da er, anders als ich und viele der Geladenen hier, keinen Smoking besitzt, aber ich habe ihn dazu überredet, ein wenig seiner Zeit zu opfern.
    »Zwanzig Minuten«, erinnert er mich an mein Versprechen, als wir den Ballsaal im Zwischengeschoss des Maritime Club betreten. Der Raum ist ganz in Weiß gehalten, mit schwarzer Eichentäfelung und einer zehn Meter hohen Decke, unter der eine Wolke aus Zigarrendunst hängt. Ich winke jemandem, den ich kenne, und Joel zeigt auf die Bar an der Seitenwand. »Zwanzig Minuten«, mahnt er erneut. »Und sie ist sowieso nicht hier.«
    »Ich bin auch nicht wegen ihr gekommen«, sage ich, aber er winkt ironisch ab. Jeder weitere Richtigstellungsversuch würde nur noch mehr Sticheleien provozieren, also stürze ich mich ins Getümmel der Smokingträger, ins angeregte und unaufrichtige Partygeschwätz, mitten ins Treiben der Mächtigen und Machthungrigen. Ich stelle mich zu ein paar bekannten Gesichtern – Firmenanwälte aus der Stadt und einige Vorstandsvorsitzende. Eine gute Gelegenheit, sich mal wieder in Erinnerung zu bringen und die Leute wissen zu lassen, dass sie einen anrufen können, wenn sie was brauchen. Am liebsten würde ich ihnen sagen: Rufen Sie mich an, wenn ein Prozess ansteht, denn das ist immer noch mein bevorzugtes Arbeitsfeld – Strafprozesse -, auch wenn ich mich im Grunde fast nur noch mit privatrechtlichen Angelegenheiten herumschlage, mit Bergen von Papierkram, Eingaben und Vorverhandlungsanträgen, die lukrativ sind, aber langweilig wie die Hölle.
    Ich nippe gerade an meinem ersten Martini, den ich mir vom Tablett einer Kellnerin geschnappt habe, als ich in einer Gruppe Harland Bentley entdecke, der soeben Gouverneur Langdon Trotter die Hand schüttelt.
    Ein mächtiges Duo. Ein Gouverneur in seiner zweiten Amtszeit, mit Aussichten auf den Posten im Weißen Haus, im Verein mit dem reichsten Mann der Stadt und einem der finanzstärksten der ganzen Nation. Harland Bentleys persönliches Vermögen wird auf knapp eineinhalb Milliarden Dollar geschätzt, mit Anteilen an Hotelketten, Immobilien, Industriebetrieben und Finanzdienstleistungsunternehmen, die alle seinen Namen tragen. Jeder Anwalt würde über Leichen gehen, um einen solchen Klienten an Land zu ziehen.
    An Harlands Arm hängt sein neuestes Schmuckstück, groß, endlos lange Beine, ein Gesicht wie gemeißelt und eine blonde Mähne, die über ihr tief ausgeschnittenes Abendkleid fällt. Man könnte sie als »Flamme des Monats« bezeichnen, aber vermutlich würde man damit die Halbwertszeit von Harlands Beziehungen schon überschätzen. In seinem Bett herrscht momentan fliegender Wechsel.
    Während ich auf die Gruppe zusteuere, legt Harland Bentley dem Gouverneur die Hand auf den Rücken und dreht ihn sanft in meine Richtung. »Gouverneur«, sagt er, »Sie wissen sicher, dass ich den besten Anwalt des Landes habe.«
    Lächelnd schüttle ich die Hand des Gouverneurs. Trotter ist ein großer, kräftiger Kerl, sehr fotogen, mit stets sonnengebräunter Haut, die seine blauen Augen und das weiße Haar vorteilhaft zur Geltung bringt, und mit einem Händedruck, der einem Bären das Wasser in die Augen treiben könnte. »Schön, Sie zu sehen, Paul«, sagt er warmherzig. Der direkte persönliche Kontakt war immer schon eine seiner Stärken, er vermittelt jedem das Gefühl, der einzige Mensch im Raum zu sein. Dann sagt er zu Harland, mit einer Stimme vom Umfang der Basspfeife einer Orgel: »Eines Tages werde ich ihn dir wegschnappen, Harland.« Die kleine Gruppe um den Gouverneur lacht höflich, auch wenn sie sich nicht ganz sicher sind, ob sie den Witz verstanden haben.
    Harland Bentley ist eine ebenso eindrucksvolle Erscheinung, wenn auch nicht im physischen Sinn. Er ist von kleiner Statur, vielleicht ein Meter sechzig, schlank, durchtrainiert, mit kurz geschnittenen Haaren und Ansätzen typisch männlicher Glatzenbildung. Aber der Mann strahlt Macht aus – angefangen bei seinem Zehntausend-Dollar-Maßanzug über den durchdringenden Blick bis hin zu der umsichtigen und präzisen Art, mit der er spricht, was nicht sehr oft geschieht. Daher ist die Gruppe auch mehr mit ihm beschäftigt als mit dem Gouverneur. Harland stellt mich seiner Begleiterin vor, Jennifer, die mir ihre manikürte Hand reicht und erklärt, sie arbeite im PR-Bereich. Ja,

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