In Gottes Namen
nächste Polizeibezirk.
Zwei Minuten später, einen Häuserblock weiter, und er säße jetzt zu Hause und könnte mit seiner Tochter Grace zu Abend essen.
»Hier oben werd ich immer ganz wehmütig.« Detective Ricki Stoletti schiebt sich einen Streifen Kaugummi in den Mund, als sie am Bordstein bremsen. Stoletti ist jetzt seit drei Jahren seine Partnerin – seit man sie von der bezirksübergreifend operierenden Major Crimes Unit in den nördlichen Vorstädten hierher versetzt hat.
Sie hätte den Hörer nicht abheben müssen, sie hätte den Auftrag an jemand anders weitergeben können. Einen Mordfall zu übernehmen, bedeutet mindestens drei Stunden Arbeit. Mr. Frederick Ciancio hatte ihnen beiden den Abend versaut.
Ein Streifenpolizist, ein stämmiger Ire namens Brady, unterbricht die Befragung eines Nachbarn und marschiert zu ihnen herüber. »Hey, Chief. Hey, Ricki.«
McDermott verkneift sich die entsprechende Antwort, er zieht lediglich die Augenbrauen nach oben.
»Frederick Ciancio«, sagt Brady und blättert dabei in seinem Notizbuch. »Zweiundsechzig. Pensionierter Wachmann, Bristol Security. Hat mal als Vollzugsbeamter im Ensign Correctional gearbeitet.«
»Ensign. Aha.« Stoletti kaut energisch auf ihrem Kaugummi herum. Ensign ist ein Hochsicherheitsgefängnis im Westen des Bezirks. »Wie lange war er da?«
Brady starrt sie an. Viele Männer mögen keine Frauen, die größer sind als sie, und Stoletti mit ihren durchtrainierten einsfünfundsiebzig passt da genau ins Bild. Für sie spricht, dass sie ein robustes Auftreten hat. Sie streift sich den Pony aus dem Gesicht. Das ist ein weiterer Pluspunkt: Sie ist keine von denen, die sich aufdonnern und die Haare färben, sie sind von einem schlichten Hellbraun, durchsetzt mit natürlichen grauen Strähnen.
»Der Nachbar meint, bis in die späten Siebziger«, erwidert Brady. »Danach war er fünfundzwanzig Jahre im Sicherheitsdienst.«
McDermott speichert die Information ab. Gefängniswärter machen sich unter Gefangenen sowohl Freunde wie auch Feinde. Aber fünfundzwanzig Jahre außer Dienst sind eine lange Zeit. »Mehrere Stichwunden?«, fragt er.
»Mehrere ist leicht untertrieben. Ich schätze, bei der Waffe handelt es sich um einen Kreuzschlitzschraubenzieher.« Brady nickt in Richtung der Schaulustigen. »Ein Nachbar hat vorbeigeschaut, weil Ciancio nicht beim Pokern auftauchte. Sein Auto stand immer noch in der Garage, und da der Nachbar einen Zweitschlüssel besitzt, ist er rein und hat sich umgesehen. Er hat ihn im Schlafzimmer gefunden.«
McDermott lässt den Blick über die umliegenden Häuser schweifen, die an diesem Juniabend um sechs in helles Sonnenlicht gebadet sind. Hier im Viertel leben auch ein paar Cops, die nicht außerhalb der Stadtgrenzen, gleichzeitig aber tunlichst vorstädtisch wohnen wollen, sprich, mit so wenig Kriminalität wie möglich. Es ist eine bescheidene Straße, viele Bungalows mit ein paar Quadratmetern Grün und Einzelgaragen, aber sie hätte genauso gut in eine Vorstadt gepasst. Ein ruhiger, netter Ort.
»Ist der Gerichtsmediziner schon da?«, will Stoletti wissen. Brady schüttelt den Kopf. »Wir vermuten aber, er ist letzte Nacht gestorben. Das Ganze ist keine vierundzwanzig Stunden her, würd ich sagen.«
McDermott funkelt Brady an, lässt die Sache dann aber auf sich beruhen. Einfache Streifenbeamte wollen sich immer gern ein bisschen wichtig machen.
»Gut gemacht, Brady«, sagt er. Er duckt sich unter dem Absperrband durch, Stoletti folgt ihm, und sie betreten das Haus.
Im Flur liegt eine breite Alarm-Fußmatte gegen Einbrecher, nicht ungewöhnlich für jemanden, der als Wachmann gearbeitet hat. »Wir sollten überprüfen, ob beim Sicherheitsdienst eine Meldung eingegangen ist«, sagt er zu Stoletti. Gelegentlich zwangen Einbrecher den Hausbesitzer, ihnen den Code für die Alarmanlage zu geben, um sie abzuschalten. In so einem Fall konnte man dann die Tatzeit genauer eingrenzen.
Ein weiterer uniformierter Beamter steht in der Küche, ein Kerl namens Abrams, der sich mit einem Mitarbeiter der Spurensicherung von der Bezirksstaatsanwaltschaft unterhält. Er informiert McDermott, dass das Schloss an der Hintertür beschädigt ist. »Und die Sicherheitsfirma hat seit einem Jahr keine Alarmmeldung mehr aus diesem Haus erhalten.«
»Danke, Ronnie.« Das ersparte ihm einen Anruf. Bleiben drei Möglichkeiten. Erstens, Ciancio hat seine Alarmanlage nicht eingeschaltet – unwahrscheinlich für jemanden, der sein
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