In Gottes Namen
die schmalen Schultern betont.
Ich hole tief Luft und habe das Gefühl, ein Rasiermesser schneidet durch meine Brust.
Sie will ihnen Geld für ihr wohltätiges juristisches Projekt aus den Rippen leiern. Der perfekte Ort für so was, zumal sie die Tochter des Ehrengastes ist. Sie macht einen Scherz, legt einem der Kerle die Hand auf den Arm, und mir ist, als schlüge eine Faust gegen meine Kehle. Sie wendet den Kopf, unsere Blicke treffen sich, und schlagartig wird mir bewusst, dass ich hier ganz allein herumstehe und sie anstarre.
Ich hebe mein Glas und verziehe meinen Mund zu etwas, das hoffentlich einem Lächeln ähnelt. Sie blinzelt mir zu und bemüht sich um einen freundlichen Ausdruck, während sie weiter mit ihren Begleitern spricht. Sie ist geistesgegenwärtig genug, ihre Reaktionen zu beherrschen, aber ich weiß, was sie denkt. Für sie bin ich das Haar in der Suppe.
Es ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt für mich, hat sie gesagt. So, als ob es nichts Persönliches wäre. Als wäre einfach nur ihr Terminkalender schon zu voll.
Mit einem miesen Gefühl im Bauch drehe ich mich zum Barkeeper um und ordere verärgert den nächsten Drink, obwohl meine Zunge bereits schwer wird. Ich sollte mein Tempo drosseln.
»Hi Paul.«
Ich fahre herum, und da steht sie. Mühsam unterdrücke ich den Impuls, sie zu berühren. Es fühlt sich so natürlich an. Es war leichter, als sie noch zehn Meter entfernt stand.
»Unterwegs, um Kontakte zu knüpfen?«, frage ich.
»Wie alle anderen auch.« In der Hand hat sie ein Glas, das vermutlich nichts anderes enthält als das, wonach es aussieht: Orangensaft. Shelly ist ein Fitnessfreak: Kickboxerin, Marathonläuferin, Selbstverteidigungslehrerin. Sie ist fast dreißig Zentimeter kleiner als ich, könnte mich aber in zwei Sekunden zu Boden schicken.
Sie wirkt irgendwie verändert, mit dem ganzen Make-up, der Frisur, den Perlen und dem Abendkleid, und ich fühle mich tief gekränkt. Sie hat kein Recht, sich so zu verändern.
»Wie geht’s dir so?«, erkundigt sie sich.
Ich suche nach einer unverfänglichen Antwort – ging mir nie besser, so in der Art -, aber irgendwas an Shelly hat immer das rohe Gefühl in mir hervorgelockt. Außerdem habe ich schon zu viel intus, um noch diplomatisch zu sein.
Sie nickt, als verstünde sie mein Dilemma. »Ich habe gehört, du vertrittst Senator Almundo in dieser Public-Trust-Angelegenheit.«
»Ja, und warum plaudern wir nicht noch ein bisschen über’s Wetter?« Ich stelle meinen Drink auf der Bar ab. Smalltalk. Genauso gut könnte sie mich mit Nadeln spicken wie eine Voodoo-Puppe.
Sie mustert mich, und ich bin nicht stolz auf das, was sie dabei zu Gesicht bekommt. Keine Ahnung, welche Reaktion ich gerne von ihr hätte. Auf alle Fälle nicht das. Kein Mitleid. Ich will sie aufrütteln, sie kämpfen sehen.
Aber das ist nicht Shellys Art. Sie ist der herzlichste und großzügigste Mensch, den ich kenne, sie widmet sich voll und ganz diesen Kindern, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, doch ihre eigenen Wunden hat sie immer geschickt verborgen, und sie ist Expertin im Aufsetzen von Masken. Bloß nichts zeigen, bloß nichts preisgeben.
»Die Situation beginnt langsam peinlich zu werden«, informiert sie mich.
»Du hast recht. Ich wollte, ich könnte sagen, dass ich mich freue, dich zu treffen.« Ich trete näher an sie heran. »Aber ich hab nun mal keine Lust auf diese Art von Gespräch. Wenn du wirklich mit mir reden willst – jederzeit. Du hast meine Nummer.«
Sie lächelt, zumindest ein bisschen, und ich ziehe los, um Lightner aufzustöbern. Er unterhält sich gerade mit einem Typen, der für die Polizei arbeitet, aber auch er ist sofort bereit, von hier zu verschwinden.
»Hast du sie gefunden?«, fragt er.
»Ich hab nicht nach ihr gesucht.«
Lightner boxt mir gegen den Arm. »Wie du meinst, Riley. Können wir jetzt endlich unser Steak essen gehen?«
13. Kapitel
Detective Michael McDermott biegt mit seinem Chevy in den Carnival Drive ein, wo an diesem lauen Abend die ganze Nachbarschaft auf den Beinen ist und sich in Grüppchen vor den Häusern versammelt hat. Ein blauer Lieferwagen mit der Aufschrift COUNTY ATTORNEY TECHNICAL UNIT parkt in der Auffahrt.
Der Anruf kam zwei Minuten vor fünf – zwei Minuten, bevor McDermott und seine Partnerin Stoletti Dienstschluss gehabt hätten. Der Carnival Drive liegt in der North Side, die an die Vorstädte angrenzt, und nur einen Häuserblock weiter beginnt schon der
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