In Gottes Namen
Cassie?«
Wir wissen es nicht. Burgos legte nie ein ausführliches Geständnis ab, und mit den Psychiatern redete er immer nur über Gott und die Sünder. Bei keinem der Mädchen ging er je ins Detail.
»Ihr habt also keine Ahnung, wie er Cassie verschleppt hat.«
Ich fühle mich wie im Zeugenstand. Ich habe Shelly schon Zeugen ins Kreuzverhör nehmen sehen und wollte noch nie in ihrer Haut stecken.
»Und macht dir das zu schaffen?«, fragt sie mich.
»Nein.«
»Warum fahren wir dann nach Lake Coursey, Paul?«
»Gwendolyn Lake war Cassies Cousine.« Abgesehen von Ellie Danzinger und einem jungen Typen, dessen Namen ich vergessen habe, ist Gwendolyn die einzige, Cassie nahe stehende Person, die mir einfällt. Sie war zwar irgendwo in der Weltgeschichte unterwegs, als Cassie ermordet wurde, kreuzte aber immer wieder in der Stadt auf und traf sich dann mit Cassie.
»Nein«, sagt Shelly. »Ich will wissen, warum du hinfährst.«
Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Shelly kann man nicht täuschen.
»Du kannst es nicht ertragen, dass sich bei diesem Fall irgendwas deinem Wissen entzieht.«
Vielleicht. Aber statt zu antworten, wähle ich auf meinem Handy die eingespeicherte Nummer von Joel Lighter. Dann drücke ich die Freisprechtaste und lege es zwischen uns.
»Hey«, meldet er sich, da er meinen Namen auf seinem Display erkannt hat.
»Joel, ich bin hier im Wagen mit Shelly.«
»Mit … oh, großartig. Shelly!«
»Hi, Joel.«
Ich liefere ihm eine Kurzzusammenfassung der jüngsten Ereignisse. Lightner ist der einzige Mensch auf der Welt, der ebenso viel über Burgos weiß wie ich.
»Cassie war schwanger?«, sagt er. »Ich dachte, sie war’ne Lesbe. Ich meine natürlich – sie hatte homoerotische Neigungen, Shelly.«
»Du nimmst eben nie ein Blatt vor den Mund, Joel«, gibt sie zurück.
»Joel, ich habe gestern Abend mit Harland gesprochen. Evelyn Pendry hat auch ihn kontaktiert. Sie hat ihm alle möglichen Fragen über Cassie gestellt.«
»Was für Fragen? Über Schwangerschaft und Abtreibung?«
»Ich schätze schon, obwohl er nicht näher darauf eingestiegen ist. Er war jedenfalls sehr besorgt, dass irgendwas davon an die Öffentlichkeit dringen könnte. Die übliche Leier. Cassie hat schon genug durchgemacht, und so weiter. Er wollte, dass ich bei Evelyn den Deckel drauf halte.«
»Das ist jetzt wohl nicht mehr nötig.«
Ja, so viel ist sicher. Ich nehme den Fuß vom Gas, als ich hinter einer Hügelkuppe etwas entdecke, das verdächtig einem Streifenwagen ähnelt.
»Joel, was fällt dir zu Gwendolyn Lake ein?«
»Gwendolyn«, sinniert er. »Cassies Cousine. Die Party-Königin? Dazu fällt mir gar nichts ein. Fehlanzeige. Nur dass sie ein bösartiges Miststück war, wenn ich mich recht erinnere – aber sie hielt sich während der Morde in Europa auf, also war sie nicht wichtig.«
»Richtig.« Ich seufze. »Und wie hieß noch mal Cassies Freund? Der Typ, der immer mit ihr und Ellie abhing?«
»Oh, der Schönling.«
»Ja, so ein gut aussehender Typ.«
»Die Heulsuse«, sagt Lightner.
Richtig. Er war eher der emotionale Typ. Während ich ihn auf seine Aussage in der Schlussphase des Prozesses vorbereitete, riss er sich noch zusammen, aber im Zeugenstand brach er dann zusammen. Schluchzte wie ein Kind.
»Attraktiv und sensibel«, bemerkt Shelly. »Ist er noch zu haben?«
»Mitchum«, erinnert sich Lightner.
»Brandon Mitchum. Genau. Treib ihn bitte für mich auf, Joel, okay?«
»Warum?«
»Warum? Weil ich dich dafür bezahle, meine Aufträge auszuführen – und nicht, um mir Fragen zu stellen.«
»Versuchst du, in Gegenwart deiner Freundin den harten Mann zu markieren?«
Ich schiele rüber zu Shelly, die rot wird.
»Ich meine, ihr beiden seid doch wieder ein Paar, oder?«
Sie lacht. Und auch ich spüre jetzt ein Glühen auf meinen Wangen.
»Na, dem Himmel sei Dank«, sagt er. »Also, Brandon Mitchum. Jetzt mal im Ernst, Riley – warum?«
Dasselbe hat mich Shelly auch gefragt. Vielleicht eine alte Narbe, die noch immer juckt, oder so was in der Art.
»Hey«, sagt er. »Mit welchen Cops arbeitest du zusammen?«
»Mike McDermott«, sage ich. »Und Ricki Stoletti.«
»Stoletti kenne ich nicht.«
»Sie wurde vor ein paar Jahren aus den Vororten hierher versetzt. Major Crimes.«
»McDermott ist ein guter Mann«, sagt Lightner. »Bin ihm ab und zu über den Weg gelaufen. Ein fähiger Polizist. Hat harte Zeiten durchgemacht wegen seiner Frau.«
»Warum das?«
»Vor ein
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