In Gottes Namen
paar Jahren hat sie sich eine Pistole in den Hals geschoben.«
Shelly zuckt zusammen. McDermotts Frau hat Selbstmord begangen? »O Jesus.«
»Sie war – wie heißt das gleich – manisch-depressiv. Extreme Höhen und Tiefen. Eines Tages kommt er nach Hause, und sie liegt im Badezimmer. Seine fünfjährige Tochter kauert daneben in der Badewanne und lutscht am Daumen.«
»Heilige Scheiße.« Ich fahre mir mit der Hand übers Gesicht. »Eine fünfjährige Tochter?«
Das erklärt McDermotts Reaktion auf den »verdammten Psycho« beim Meeting des Sonderkommandos. Kaum zu ermessen, wie tief ihn in das getroffen haben muss.
»Wenigstens hat sie nicht dabei zugeschaut. Aber trotzdem. Die eigene Mutter ohne Hinterkopf und mit weggeblasenem Hirn zu finden? Und das mit fünf Jahren?«
Ich schüttle den Kopf. »Okay, jedenfalls bin ich unterwegs. Um mehr über Cassie Bentley rauszufinden.«
Lightner antwortet nicht gleich. Normalerweise ist er nie um einen Spruch verlegen. »Du scheinst auf einmal ein persönliches Interesse an der Sache zu haben.«
»Vielleicht hab ich das«, erwidere ich. »Treib bitte diesen Brandon Mitchum für mich auf.« Ich schalte das Handy aus.
Ein weiterer Tag, ein weiteres Hotel. Diesmal in einem Vorort, Mittelklasse, die Filiale einer Hotelkette.
Leo umrundet den Laden dreimal mit dem Wagen, späht in die Lobby, hält im Rückspiegel Ausschau nach Autos, die nach ihm auf den Parkplatz einbiegen, denn sie wahren immer einen großen Abstand, so leicht machen sie es einem nicht.
Mit geschärften Sinnen steuert er auf die Lobby zu, mustert unauffällig das Dach, die Stellen, hinter denen Heckenschützen lauern könnten, und beobachtet beiläufig, ob sich plötzlich Autos auf dem Parkplatz bewegen. Er wird gut vorbereitet sein, wenn sie kommen, aber sie werden nicht auf ihn vorbereitet sein.
Die Lobby ist menschenleer, als er eintritt, trotzdem schlüpft er im Eingangsbereich gleich hinter die Tür und wartet, ob ihm jemand folgt; das Gesicht verbirgt er hinter einer geöffneten Zeitung, falls sich jemand wundern sollte, was er da tut – er liest einfach nur die Zeitung, sonst nichts, aber seine Augen sind nach draußen gerichtet, immer noch wachsam. Er ist sich ziemlich sicher, dass ihm niemand auf den Fersen ist, aber er überlässt nichts dem Zufall.
Fünf Minuten, zehn Minuten, dann geht er zur Rezeption, nennt einen falschen Namen und zahlt bar für eine Nacht, schnappt sich die Gratis-Zeitung, steigt in den Aufzug, fährt eine Etage höher und tritt hinaus auf die Galerie, von der man die Lobby überblickt. Vergewissert sich erneut, dass ihm niemand folgt.
Er wartet und schlägt dabei die Ausgabe der Watch auf. Die Neuigkeit prangt fett auf der Titelseite, Mord, brutaler Mord, schockierender Mord, ein Mitglied der Redaktion, Tochter der Nachrichtenmoderatorin Carolyn Pendry, eine junge Reporterin, Kriminalreporterin, aber nirgendwo steht, wie flink sie sich bewegen konnte. Leo weiß es, die gerissene Sehne in seinem Knie ist der Beweis, ein übler Riss, ein lahmes Bein.
Ein starker Wille, das spiegelte sich in Evelyns Gesicht, da war dieser Trotz, selbst als er die totale Kontrolle über sie ausübte. Wie Kat, genau wie Kat, die Art, wie sich ihre Kiefermuskeln wütend ballten, als sie dem Tod ins Gesicht sah, nicht wie die anderen – die meisten von ihnen, ob Männer oder Frauen, sind einfach erstarrt, haben das Ende akzeptiert, wenn es kam, haben es erduldet, auch wenn sie es nicht fassen konnten -
Erneut betritt er den Aufzug und zieht die Karte durch den Schlitz. Das Zimmer hat zwei getrennte Betten. Er hat die ganze Nacht damit verbracht, mögliche Verfolger abzuschütteln, jetzt braucht er dringend Schlaf. Ein großes Bett wäre ihm lieber gewesen, aber er ist weit Schlimmeres gewöhnt. In Lefortovo waren die Metallstangen unter der dünnen Matratze so weit voneinander entfernt, dass die Matratze ständig durchrutschte. Mit der Zeit fand er heraus, dass man Zeitungen oder Magazine – oder was immer sie ihm zu lesen gaben – über die Stangen breiten musste, um mehr Auflagefläche zu schaffen. Trotzdem wurde er das Gefühl nie los, auf Gitterstäben zu schlafen. Er wusste, sie machten das mit Absicht. Sie wollten nicht, dass die Gefangenen ruhig schliefen. Zumindest nicht Gefangene wie er.
Er lässt sich aufs Bett fallen und denkt an Kat. Sie hat alle getäuscht. Alle sahen in ihr nur das süße Mädchen, das nie etwas Böses im Schilde führen konnte. Er erinnert
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