In grellem Licht
das Holo aus – keiner
braucht hinter der Bühne Schlangen, die auf seinem ganzen
Körper herumkriechen. Ich gehe zum Schminktisch, und im Spiegel
erblicke ich die Soldatin, die dort steht, wo die Tür war, ehe
ich sie schloß. Die Frau bewegt sich auf mich zu.
Augenblicklich schreie ich auf. Sie zielt mit ihrer
Betäubungspistole auf meinen Leib und sagt: »Das machst du
nicht noch mal. Ehrlich. Nicht noch mal. Und jetzt sag mir, warum ich
dein Gesicht letzte Woche beim Zugunglück in Lanham auf drei
Schimpansen gesehen habe.«
Völlig genervt starre ich in die Robokam an der Decke. Sie
ist dunkel. Die Frau muß sie zuvor wohl außer Betrieb
gesetzt haben, aber bedeutet das nicht, daß irgend jemand von
den Sicherheitsleuten es merken wird und gleich da sein wird? Irgend
jemand muß gleich kommen! Ich muß die Frau nur davon
abhalten, mir etwas anzutun, bis jemand kommt!
»Los! Rede!« sagt sie.
»Ich bin Horethal.« Das sind die einzigen Worte, die mir
einfallen wollen. »Ich bin Horethal.«
»Du bist was?«
Mehr zu sagen, bleibt ihr keine Zeit. Die Tür fliegt auf,
Sicherheitsleute stürzen herein, und die Soldatin geht zu
Boden.
7
SHANA WALDERS
Mein Zivildienst endet im Juli. Eine Woche vorher kommt mit der
Post die Ablehnung von der Armee.
Am späten Samstagnachmittag stehe ich in der Kaserne und
öffne den Umschlag – so etwas kommt nicht per E-mail, es
kommt eingeschrieben und wird nur persönlich ausgehändigt.
Ich hole den Brief heraus. Ein einziger Satz, mehr bin ich den
Mistkerlen nicht wert:
6. Juli 2034
Sehr geehrte
Shana Irene Walders:
Die Armee der Vereinigten Staaten bedauert, Ihnen mitteilen zu
müssen, daß Ihr Ansuchen um Übernahme in den
Heeresdienst aufgrund Ihrer Beurteilung seitens der
Zivildienstbehörde abgelehnt wurde. Eine Kopie dieser
Beurteilung liegt bei.
Mit freundlichen Grüßen
Gen. Todd McHugh
Rekrutierungsbüro
Armee der Vereinigten Staaten
Der Schlag soll sie treffen. Alle.
Ich werde Einspruch erheben. So schlecht sieht meine
Dienstbeschreibung auch nicht aus! Es war die Anhörung bei
diesem Kongreß-Beirat! Sie streichen mich wegen der Dinge, die
ich dort gesagt habe! Weil ich die Wahrheit gesagt habe!
Na gut, wir werden ja sehen, wer da wen streichen kann! Ich bin
schließlich eine von den Jungen! Das kostbarste Gut der
verdammten Nation! Es gibt eigene Ämter, die nur deshalb
existieren, damit sie sich vergewissern, daß wir jungen Leute
alles kriegen, was wir brauchen, falls unsere Eltern es uns nicht
verschaffen können oder wollen: Förderungsämter,
Rechtshilfeämter. Die Armee kann mir das nicht antun! Ich werde
Einspruch erheben. Ich gehe zu den Nachrichtensendern. Und es wird
ihnen verdammt leid tun, daß sie versucht haben, Shana Walders
zu streichen!
»Was is’n das?« fragt Meg Delany schläfrig,
als sie hinter mir näher kommt. Ich falte den Brief in die
Hälfte und knurre sie an: »Nichts!«
»Wenn’s nichts ist, warum schaust du dann drein, als
hätten sie dich aus der zehnten Etage geschmissen?«
»Scher dich um deinen eigenen Mist, Delany.«
»He, was sind wir doch heute gereizt!«
»Hau ab!«
»Hau selber ab!«
Genau das werde ich tun. Und alle fertigmachen, jeden einzelnen
fertigmachen, der glaubt, er kann Shana Walders daran hindern, das zu
bekommen, was ihr zusteht.
Jeden einzelnen.
Ich fange mit der >Rechtshilfe< an. Das ist ein lausiges
Büro in einem Straßenlokal am Rand vom Stadtzentrum von
Washington. Die ganze Gegend ist übersät von staatlichen
Graffiti aus strahlendhellen Holos und von Menschenhand hergestellten
Graffiti aus Sprühfarben. Eines der letzteren bedeckt die ganze
Front eines SchaumStein-Gebäudes:
Im einzigen Fenster des Rechtshilfebüros flackern und
schimmern elektronische Sperren, die auf diese Weise den Eindruck von
Sicherheit vermitteln sollen, ohne allzu aufdringlich an einen Knast
zu erinnern. Die Einrichtung besteht aus der billigsten und
leichtesten Sorte SchaumStein – die Sorte, die Läuse nicht
mögen. Der Jurist, ein Puddingbauch, älter als das
Muttergestein, liest meinen Brief, studiert meine offizielle
Dienstbeurteilung und sagt: »Hmmmmm.« Und danach nichts
mehr.
»Hmmmmm?« sage ich. »Das ist alles? – Sie sind
ein Anwalt, der nichts anderes zu tun hat, als mir zu helfen, und
alles, was Sie sagen, ist: >Hmmmmm«
Er sieht mich über den Rand des Briefes hinweg an, mit diesem
Blick, den diese amtlichen Typen alle so gut beherrschen: Wer
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