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In grellem Licht

In grellem Licht

Titel: In grellem Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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einer
Entführung zum Zweck von Zellentnahmen?« Bei Van war es
immer ratsam, den Gegenstand der Übereinkunft klar und konkret
zu umreißen. Er war zu gewandt im Herauswinden aus
Verschwommenem.
    »Ja.«
    »Und kann ich damit rechnen, bald von dir zu
hören?«
    Sein Blick wanderte – scheinbar zufällig – zu
meinem herabhängenden Lid und blieb eine Sekunde lang daran
hängen, ehe er wieder mein ganzes Gesicht erfaßte.
»Noch diese Woche, Nick.«
    »Danke, Van.«
    Ich stand auf, durchaus wissend, wie alt und zittrig ich neben ihm
wirken mußte, obwohl er in Wahrheit sogar ein paar Jahre
älter war als ich. Er würde sich jetzt auf das volle
Arbeitspensum eines Nachmittags stürzen; ich würde nach
Hause und ins Bett gehen.
    »Gib acht auf dich, Nick.« In dieser vollen Stimme klang
es wie ein Segensspruch. Ein Gebet der Gesunden für uns, die
anderen.
     
    »Und?« erkundigte sich Shana auf der Straße, wo
ich sie zurückgelassen hatte. Ein alter Mann bettelte auf der
sonnigen Seite der Straße. Eine Frau schob einen Kinderwagen
mit zwei Kätzchen darin vorbei. Eine Holoschrift blinkte und
drehte sich: gemeinsam werden wir es schaffen! auch du bist teil der
gesellschaft! An der Ecke balancierte ein religiöser Narr
über den Randstein und kreischte etwas über das Ende der
Welt. Sein Projektor war sehr alt und funktionierte schlecht: durch
primitive Holos von Flutwellen und Erdbeben flatterten Szenen aus
etwas, das aussah wie ein Hololehrgang für Stepparbeiten.
»He, Nick, alles in Ordnung?«
    Jeder von uns verdient seinen eigenen Tod, der niemandem sonst
gehört. George Seferis.
    »Ja«, sagte ich. »Alles okay. Gehen wir nach
Hause.«

9
    CAMERON ATULI
     
    In einer Stunde geht der Vorhang im Lincoln Center für die Jupiter-Mond-Suite hoch, und hinter der Bühne herrscht
das blanke Chaos. Die Gasttänzer, Eric Carter vom Royal Ballet
und Vivian Vargas vom New York City Ballet – oder von dem, was
davon noch übrig ist – sind widerwärtige Ekel, alle
beide. Carter beleidigte Sarah, indem er ihr vorwarf, sie bewege sich
wie ein Schleppdampfer, und Sarah rannte in Tränen
aufgelöst von der Probe. Vargas redet ohne Unterlaß von
der einstigen Bedeutung des NYCB, ungeachtet der Tatsache, daß
es jetzt nur noch ein armseliger Trümmerhaufen ist. Sie
läßt alle ihre Geringschätzung für Aldani House
spüren, aber sie ist so wunderschön, daß Dmitri ihr
wie ein Sklave folgt, was Laura, die ihn liebt, zutiefst verletzt.
Joaquim hat sich eine Sehne gezerrt und kann die Rolle des
>Eindringlings< nicht tanzen. Tasha keift jeden an, der in ihre
Nähe kommt, und das ohne ersichtlichen Grund. Elektrische
Spannung liegt in der Luft.
    Ich eile gerade durch die düsteren Gänge unter der
Bühne, um Joaquim frisches Eis für sein Knie zu bringen,
als Melita mich zur Seite nimmt. »Cameron, mein
Lieber!«
    »Ja?« Das ist schlimm. Melita, die erst Anfang
fünfzig ist aber sich als >große alte Dame< gibt,
ist eine wundervolle Managerin für Aldani House. Mister C.
könnte es ohne sie nie schaffen. Aber niemand würde
behaupten, sie wäre eine warmherzige Seele. Wenn sie die
Tänzer >mein Lieber< nennt, dann machen wir uns auf alles
gefaßt.
    »Es handelt sich um den Empfang nach der Abendvorstellung,
mein Lieber. Für die Gönner.«
    Ich stöhne. Das NYCB, das immer noch im Lincoln Center
beheimatet ist, ist ewig in Geldnöten. Nach fast jeder
Vorstellung – auch wenn es die eines Gastensembles ist –
findet ein >Empfang< statt, mit Hilfe dessen man den
Gönnern noch mehr Geld abpressen will, indem man ihnen erlaubt,
sich zwanglos in die Schar der Tänzer zu mischen, die das ganze
verabscheuen. Es fällt sehr schwer, sich mit diesen
Industriellen, Politikern und Gesellschaftsdamen zu unterhalten. Sie
haben allesamt keine Ahnung vom Tanzen – und das, was sie zu
wissen glauben, ist falsch.
    Ich sage: »Geld für das NYCB aufzutreiben ist doch nicht
unser Job! Soll Primadonna Vargas das machen!«
    Melita ignoriert es ebenso, wie sie zuvor mein Stöhnen
ignoriert hat. Sie ist schon für die Galavorstellung gekleidet
und trägt eine Diamantspange im Haar. Die Diamanten sind falsch,
das weiß ich; die echten wurden vor langer Zeit verkauft, um
eine Produktion von Mozartiana zu finanzieren. »Cameron,
aus diesem Grund wollte ich mit Ihnen reden. Von dem Geld, das die
Förderer heute Abend spenden, wird nicht alles dem NYCB zugute
kommen. Ich habe soeben gehört, daß eine Person anwesend
sein wird, die bereit wäre, für

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