In grellem Licht
Unfruchtbarkeit, Cam. Beide Paare bemühen
sich um eine Empfängnis, vergebens, und dann werden sie von den
Schatten der Kinder verfolgt, die sie nie bekommen werden – du
weißt schon, eine Umkehrung all dieser romantischen
Stücke, in denen die Hauptfiguren von den Schatten ihrer Toten
verfolgt werden, bis dann gegen Ende zu…«
»Nein«, sage ich. »Nein.«
Sarah starrt mich mit offenem Mund an.
»Nein. Das werde ich nicht tanzen.«
Ein elektrizitätsgeladenes Schweigen. Ich weiß nicht,
was mit mir los ist. Mein Herz pocht so laut, daß es mir in den
Ohren dröhnt. Ich fühle mich benommen, einer Ohnmacht
nahe.
»Dmitri«, sagt Mister C. ruhig, »nehmen Sie
Camerons Platz ein.« Dmitri, der bei der Probe zusieht, sieht
überrascht drein und bewegt sich langsam an Sarahs Seite.
Mister C. wendet sich mir zu. »Gehen Sie zu Melita«,
sagt er freundlich. »Erklären Sie ihr, daß Sie sich
krank fühlen und möchten, daß Doktor Newell nach
Ihnen sieht.«
»Ich fühle mich nicht krank«, widerspreche ich, was
mich noch mehr erstaunt. »Ich fühle mich…« Wie?
Warum kann ich dieses Ballett nicht tanzen?
»Gehen Sie zu Melita«, beharrt Mister C. und wendet sich
wieder seiner Arbeit zu.
Ich merke, daß er mir Gelegenheit gibt, das Gesicht zu
wahren, einen Vorwand, wegzugehen und später wiederzukommen
(»Doktor Newell sagt, es ist alles in Ordnung«). Aber ich
kann es trotzdem nicht tun. Ich weiß ganz plötzlich,
daß es mir unmöglich ist, dieses Ballett zu tanzen. Und
warum? Ich interessiere mich nicht besonders für Kinder, weder
für geborene noch für ungeborene. Ich habe mich noch nie
für sie interessiert. Aber das macht keinen Unterschied. Ich
kann das Ballett nicht tanzen. Mein Körper läßt es
nicht zu.
Ich stürze aus dem Saal.
In einem anderen freistehenden Probesaal beruhige ich mich, finde
zu mir selbst und stehe lange Zeit mit gesenktem Kopf in der Mitte
des Raums, um mich zu konzentrieren, so stark ich kann. Dann beginne
ich mit einer Kombination aus Sorrows. Tour en l’air,
plié, relevé, und in die Arabeske…
Ich stolpere. Der Rhythmus stimmt nicht. Nein, nicht der
Rhythmus… etwas anderes. Eine innere Sicherheit, betreffend den
Fluß der Schritte, den Raum, den ich in genau festgelegte
Abschnitte teilen sollte, mich selbst…
Ich versuche es noch einmal.
Und noch einmal.
Ich probiere es mit dem Beginn des zweiten Aktes von Jupiter und dann mit dem Solo aus Le Corsair. Ich kann es nicht.
Ich kann nichts davon tanzen. Aus dem Augenwinkel sehe ich
geisterhafte Kinder über die Bühne wirbeln, und es sind
alles Schimpansen mit meinem Gesicht. Nein, ich sehe sie nicht. Sie
sind nicht da. Aber der Gedanke an sie ist da und nagt an einem Teil
meines Gehirns, den ich gar nicht mehr habe – wie der
Phantomschmerz eines Amputierten. Oder vielleicht ist es das auch
nicht. Was es auch ist, ich kann nicht tanzen.
Ich kann nicht tanzen.
Ich kann nicht tanzen.
Rob sitzt auf dem Bett in seinem Zimmer und näht Bänder
an Schuhe. Ich stürze hinein und packe ihn an den Schultern.
»Sag es mir!«
»Cam, was…!«
»Sag es mir jetzt! Alles, was vor der Operation mit mir
geschehen ist!«
Mit erzwungener Standhaftigkeit sagt er: »Es ist besser, wenn
du es nicht weißt.«
»Ja, vermutlich! Aber ich muß es wissen, weil es mich
immer wieder anspringt, egal in welche Richtung ich gehe! Ich halte
es nicht mehr aus, Rob! Ich weiß nie, wann entweder mein
eigener Verstand oder jemand anderer mir einen Schock versetzt, mich
hineinstößt in… es ist jedesmal wie ein Erdbeben,
gerade dann, wenn ich es am wenigsten erwarte. Ich muß
irgendeine Art von Vorbereitung haben!«
Er starrt mich mit diesen blauen, ach so blauen Augen unverwandt
an. Und dann flüstert er: »Nein.«
»Nein?«
»Nein, ich kann nicht. Du hast es mir selbst aufgetragen
– genau wie Doktor Newell –, daß ich es dir nicht
sagen darf, egal, was geschieht, egal, wie oft du es dir anders
überlegst. Es wäre schlimmer, als es nicht zu
wissen.«
»Dann frage ich Sarah! Joaquim! Mitchell!«
»Keiner von ihnen kennt die wahre Geschichte. Nur ich und
Melita und Mister C.«
»Du lügst!« schreie ich auf, obwohl ich merke,
daß es nicht so ist. »Sicher weiß es noch jemand
hier!«
»Niemand.« Er ist den Tränen nahe. Ich nicht –
ich bin maßlos wütend.
»Verdammt, Rob, es ist mein Leben!«
»Es war dein altes Leben. Und nun hast du ein anderes.«
Er versucht, die Arme um mich zu legen, aber ich schüttle
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