In grellem Licht
Sorrows.
Ich gehe durch den Vorgarten zum Haus und klingle. Eine
gutangezogene alte Dame mit weißem Haar öffnet.
»Ja?« sagt sie mit freundlicher Stimme.
»Ich würde gern Shana Walders sprechen, wenn Sie
gestatten.«
Die Frau wirkt überrascht. »Darf ich Sie nach Ihrem
Namen fragen?«
Ich zögere, sehe aber keinen Grund, warum ich meinen Namen
nicht nennen sollte. Das Soldatenmädchen wird mich ohnehin
gleich erkennen. »Cameron Atuli.«
Die Augen der Frau werden riesengroß, und sie legt die Hand
über den Mund. Wortlos bedeutet sie mir einzutreten in die
geräumige Diele.
Eines Tages eine solche Wohnung zu haben, mit Skulpturen und
Blumen und Pastellfarben, das würde ich mir für Rob und
mich auch wünschen – oder, besser, ich hätte es mir
gewünscht. Das ist der einzige Gedanken, für den mir Zeit
bleibt, denn dann kommt das Soldatenmädchen die Treppe
heruntergaloppiert. »Du lieber Gott!«
»Shana Walders?« frage ich; es kommt hoch und quiekend
heraus, also versuche ich es noch mal. »Shana Walders?«
»Wo, zum Geier, kommen Sie denn daher?«
»Ich… von Aldani House. Ich möchte Sie
sprechen.«
Sie lacht freudlos auf. »Und ich versuche alles, um an Sie
heranzukommen, weil… na, das wissen Sie ja schon. Kommen
Sie.« Sie packt mich am Arm, und unwillkürlich zucke ich
zurück.
»Shana«, sagt die alte Dame mit eisiger Stimme.
»Was geht hier vor?«
»Wie soll ich das wissen?« sagt Shana. »Ich bin
genauso überrascht wie Sie. Nick ist nicht zu Hause, nicht wahr?
Na gut, dann hört er es eben später. Für den Moment
besucht Mister Atuli jedenfalls mich.«
Sie zieht mich in ein Eßzimmer, schließt die
Schiebetür und läßt die alte Dame mit finsterem
Gesicht in der Diele stehen. Im Eßzimmer stehen ein Tisch aus
poliertem Kirschbaumholz und acht Stühle mit hellgrüner
Polsterung, und an den Fenstern hängen schwere elfenbeinfarbene
Vorhänge. Shana Walders und ich sehen einander an.
»Also, Cameron Atuli, was wollen Sie hier?«
Ich halte mich an einer Stuhllehne fest. »Ich möchte
wissen, was mit mir geschehen ist. Sie sagten in New York, Sie
wüßten es.« Ich verschränke krampfhaft die
Finger und warte.
»Warum wollen Sie es jetzt auf einmal wissen?« fragt sie
angriffslustig. »Bisher war’s Ihnen doch auch
scheißegal!« Offenbar liegt Angriffslust in ihrer Natur.
Ich kann sie nicht leiden.
»Das geht Sie nichts an. Sagen Sie mir einfach nur, was Sie
mir in New York schon sagen wollten.«
»Es wäre besser, wir würden zusammenarbeiten.«
Ihre Stimme ist plötzlich verändert; sie rückt ganz
nahe an mich heran, legt mir die Hand auf die Schulter, und ihre
Lippen öffnen sich leicht, während ihre Augen sanft und
groß werden. Ich starre sie ungläubig an. Sie macht wieder
einen Schritt zurück und lacht. »War bloß ein Test.
Manche von euch sind doch bi, oder? Sie nicht. Also gut, tauschen wir
Informationen aus.«
Und dann redet sie lange. Von einem Zugunglück, einem
Lagerhaus, von den Schimpansen, die mein Gesicht trugen und die sie
gesehen hat und davon, was bei der Sitzung irgendeines
Kongreßkomitees gesprochen wurde. Ich kann es kaum ertragen
zuzuhören. All diese Träume, in denen mich Tiere verfolgen,
das furchtsame Davonrennen vor einem Hund auf der Straße…
aber nichts von dem, was ich höre, sollte mir die Fähigkeit
rauben, zu tanzen.
Als sie geendet hat, sage ich: »Ist das alles?«
»>Ist das alles?< Interessiert es Sie nicht, daß
es da draußen Affen gibt, die wie Cameron Atuli aussehen und
für Frauen produziert wurden, die keine Kinder kriegen
können? Nein, das interessiert Sie nicht. Oder nicht sonderlich.
Aber zufällig ist das tatsächlich nicht alles. Die Leute,
von denen Sie entführt wurden, haben noch etwas mit Ihnen
gemacht.«
Mit einemmal ist ihr irgend etwas peinlich. Ich warte.
»Die haben Ihnen die Eier abgeschnitten«, sagt sie
brutal. »Sie sind… Sie waren fruchtbar. Wahrscheinlich ist
es denen nicht gelungen, Sie soweit zu bringen, daß Ihnen einer
abgeht – unter der Folter, meine ich –, und da haben sie
Ihnen einfach die Eier abgehackt und sich mit dem zufriedengegeben,
was schon drin war. So kriegten sie wenigstens eine Ladung
fruchtbares Sperma. Verdammte Dreckschweine.« Nach einer Minute
sagt sie noch etwas, aber ich kann sie nicht verstehen.
Meine Hoden. Sie haben sie abgeschnitten, weil ich nicht auf
Kommando zueinen Erguß kommen konnte. Haben sie ein
Anästhetikum benutzt? Habe ich geschrien? Ich erinnere
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