In grellem Licht
nach einiger
Zeit lieben die Frauen sie aus ganzem Herzen. Manchmal macht es
für sie dann gar keinen Unterschied mehr. Und ein Pluspunkt: sie
sind bei weitem billiger als ein Neugeborenes.
Interessiert?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich langsam.
»Worüber sprichst du da konkret, Billy?«
»Okay, ich werde es dir sagen. Aber du mußt dir ein
Urteil aufheben, bis ich ausgeredet habe. Du mußt
unvoreingenommen an die Sache herangehen.
Das sollte dir nicht schwerfallen, du bist ja Wissenschaftler. Und
du mußt mir glauben, daß ich damit Erfahrung habe. Ich
weiß, wie die Frauen im ersten Schock reagieren und wie sie
ihre kleinen Ersatzbabies mit der Zeit ins Herz schließen.
Warum auch nicht – sie sehen aus wie kleine Kinder, sie gehen
wie kleine Kinder, sie strecken ihre süßen kleinen
Händchen aus, damit man sie ergreift, sie reagieren empfindsam
auf liebevolle Zuwendung. Und sie sehen absolut menschlich aus. Das
kannst du mir aufs Wort glauben, Nick – angekleidet sehen sie
absolut menschlich aus. Von Anfang an haben sie die Intelligenz eines
einjährigen Menschenkindes. Sie zeichnen mit Buntstiften, sie
beschäftigen sich mit Spielsachen, sie trinken aus dem
Fläschchen.«
»Und was sind sie tatsächlich?« Es fiel mir schwer,
die Worte hervorzuwürgen.
»Menschlich, was das Gesicht und die Hände betrifft.
Dank der Vivifaktion.«
»Und der Rest?«
»Reinrassige intelligente Schimpansenbabies. Und wenn man
ihnen Babysachen anzieht, wird deine Schwiegertochter sie nicht von
richtigen Babies unterscheiden können. Und wenn sie erst eine
Zeitlang ihr Kleines gefüttert und geherzt hat, wird es ihr egal
sein. Glaube mir. Ich sehe es immer wieder.«
Immer wieder. »Du vergibst viele dieser Ersatzbabies,
Billy?«
»Du würdest nicht glauben, wie viele. Oder um wen es
sich bei manchen der Familien handelt, die sie adoptieren. Ich kann
natürlich keine Namen nennen, aber dein Sohn wird sich in sehr
illustrer Gesellschaft befinden. Und das Kleine kann sogar aussehen
wie er. Wir haben eine annehmbare Auswahl. Du warst blond, Nick, wenn
ich mich recht erinnere, norditalienischer Abstammung. Ist dein Sohn
auch blond? Wir haben ein süßes kleines Mädchen, sie
sieht aus wie eine germanische Prinzessin. Und klug wie
Einstein.«
»Nein, ich… gib mir eine Minute Zeit, Billy. Das kommt
alles so plötzlich…«
»Selbstverständlich«, sagte Billy jovial.
»Aber so, wie du es machst, bist du auf dem richtigen Weg. Ich
habe deinen Anruf klarerweise zurückverfolgen lassen.
FDR-Village ist eine gute Wahl. Jeden Tag wahrscheinlich Tausende
Touristen dort, nicht wahr?«
Ich legte die Stirn an das kühle Glas. Die Kopfschmerzen
machten das Denken schwer. Wie lange noch, bevor ich ins Koma fallen
würde?
»Nick? Bist du noch da?«
»Ja. Billy, blond will ich nicht. Wenn wir das wirklich
durchziehen… Laurie, meine Schwiegertochter, kommt aus einer
ziemlich gemischten Familie. Ein bißchen südamerikanisch,
ein bißchen französisch, ein bißchen schwarze Haut
dabei. Vielleicht wäre es leichter, sie zu überreden, wenn
wir ihr ein… ein Kleines zeigen könnten, das ihr im
Aussehen nahekommt.« Er war nicht zu Lauries Hochzeit eingeladen
gewesen; er wußte nicht, wie sie aussah.
»Okay«, sagte er. »Beschreibe sie.«
»Ein ganz und gar unübliches Gesicht. Dunkles Haar,
hellbraune Haut, braune Augen mit goldenen Tüpfelchen darin,
volle Lippen… Sie könnte von überallher stammen. Die
Leute erraten die Mischung nie. Letztes Jahr, zu Halloween, hat sie
sich eine rote Perücke aufgesetzt und war sehr überzeugend
als irischer Kobold.«
»Okay, Nick. Ich höre mich um. Es gibt natürlich
ein Netz von Zulieferern. Vereinbaren wir ein Treffen in ein paar
Tagen, und vielleicht habe ich dann sogar ein Holo, das ich dir
zeigen kann. Ich komme nach Washington.«
Wir machten Ort und Zeitpunkt aus. Von Geld war nicht die Rede,
das würde später kommen. Billy hätte einen
talentierten Handelsvertreter abgeben können, wäre er nicht
– sogar über ein Telefon ohne Video – so unsympathisch
gewesen.
Ich nahm meine Medikamente, rief ein Taxi und versuchte
nachzudenken. Zu dem Treffen konnte ich natürlich die Polizei
mitnehmen – aber eine FBI-Beamtin hatte lange mit Cameron Atuli
gesprochen, und Van Grant hatte mich belogen, was Atulis
Entführung betraf. Ich wußte nicht, wie weit diese ganze
Vertuschung ging oder weshalb sie stattfand oder wem ich mich ohne
Risiko anvertrauen konnte. Also vielleicht doch keine
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