In guten wie in toten Tagen
meinte Viola ruhig. »Tom sieht gut aus und ist beliebt, die Mädels schwärmen alle von ihm. Er war mit dir im Bett und nun ist er mit Helena zusammen. Beides ist kein Verbrechen. Meine Güte, der Mann ist einunddreißig, natürlich hat er vor Helena die eine oder andere Beziehung gehabt. Ist doch normal, oder?«
»Dass er seine Schülerinnen bumst? Das findest du normal?«
»Wir sprechen von dir und Helena. Und Helena heiratet er jetzt.«
»Wir waren nicht die Einzigen. Ihr habt doch Mareike gehört. Die wusste auch Bescheid. Ich meine, wo Rauch ist, ist auch Feuer.«
»So ein Scheißspruch!«, stieß Helena wütend aus. »Mit dem Satz kannst du ja wohl jede Lüge rechtfertigen.«
»Solche Gerüchte sind total fies«, sagte Jacky. »Ich kann ein Lied davon singen, das kannst du mir glauben, May. Was haben die Leute über mich nicht alles erzählt, dass ich Heroin spritze und auf den Strich gehe und Tessi ist von einem der Freier. Und ähnlichen Scheiß.«
Julia nickte. »Die Leute glauben jeden Mist. Und Lehrer haben’s besonders schwer. Wenn du einmal den Ruf hast, dass du auf kleine Mädchen stehst, kriegst du das nie mehr los. Dann kannst du einpacken.«
»Hast du irgendeinen Beweis dafür, dass Tom was mit einer Schülerin hatte?«, fragte Viola. »Ich meine, abgesehen von dir und Helena.«
May starrte auf ihre Fingernägel und zuckte mit den Schultern.
»Das heißt also Nein«, konstatierte Julia.
»Natürlich hab ich keine Beweise. Wir sind ja hier nicht vor Gericht. Ich verstehe auch nicht, warum ihr so einen Aufstand macht. Ich meine, ich bringe das nicht im Fernsehen oder stell das ja nicht ins Internet. Es bleibt doch unter uns. Ich wollte nur, dass Helena gewarnt ist.«
»Das Ganze ist also nichts als reine Spekulation«, sagte Helena bitter. »Danke, May. Du bist echt eine tolle Freundin.«
May nagte an ihrer Unterlippe und wirkte auf einmal verlegen. »Ich bin ziemlich blau.«
»Das sind wir alle«, sagte Jacky. »Aber das ist doch kein Grund für so einen Auftritt.«
May faltete ihre Hände, legte sie vor ihre Lippen und schloss die Augen. Dann nickte sie.
»Ich geh jetzt wohl besser. Ich … Scheiße … ich hätte den Mund halten sollen. Wenn ich nur vorher schon gefahren wäre.«
»Wie kommst du denn jetzt nach Hause?«, fragte Jacky. »Der letzte Bus ist längst weg.«
»Ich nehm mir ein Taxi. Oder weiß der Teufel.« May fischte ihre High Heels unter dem Sofa hervor, schlüpfte hinein und stakste in Richtung Tür.
Jacky stand ebenfalls auf. »Du kannst bei mir pennen. Ich muss auch nach Hause. Tessi, das Monster, ihr wisst ja …«
»Ich kann mit zu dir?«, fragte May. »Das ist total nett, Jacky. Danke.«
»Aber ich warn dich, mit Ausschlafen ist bei uns nichts.«
»Ich hau auch ab.« Viola reckte ihre Arme, gähnte und erhob sich.
»Du wolltest doch hier schlafen«, meinte Cara.
»Hab meinen Eltern versprochen, dass ich bei ihnen übernachte. Die sehen mich so selten, wo ich doch jetzt in Düsseldorf wohne. Aber ich komm morgen zum Frühstück. Wann soll ich denn hier sein. Um zehn?«
»Zehn Uhr? Bist du verrückt? Da lieg ich noch im Tiefschlaf«, sagte Julia.
»Vor zwölf läuft hier gar nichts«, erklärte Cara.
»Will jemand noch was trinken?«, fragte Cara, als die drei weg waren. »Oder Suppe? Es ist noch jede Menge Suppe da.«
»Gerne«, sagte Ronja.
»Für mich auch«, meinte Julia.
»Leute, seid mir nicht böse«, Helena verschränkte die Arme vor der Brust, als ob ihr kalt wäre, »ich weiß, die Braut sollte als Letzte ins Bett, aber ich glaub, ich geh auch schlafen. Ich kann nicht mehr. Ich fühl mich, als ob man mich durch den Reißwolf gedreht hätte.«
»Kann ich verstehen.« Julia lächelte ihr aufmunternd zu. »Aber du darfst May nicht ernst nehmen, Helena. Sie ist eifersüchtig, das ist alles.«
»Diese Geschichten über Tom.« Helena löste ihr hochgestecktes Haar und schüttelte den Kopf, sodass es auf ihre Schultern fiel. »Diese Scheißgerüchte. Ich hab diesen Tratsch so satt. Die Schülerinnen sind alle scharf auf ihn, deshalb denken sie sich diesen Blödsinn aus.« Sie massierte müde ihre Schläfen. »Vielleicht sollten wir hier abhauen.«
»Abhauen?«, fragte Cara erschrocken.
»Wir könnten nach der Hochzeit nach Münster ziehen. Oder nach … Nairobi. Tom findet doch überall eine neue Stelle.«
»Meinst du, in Münster ist es besser?«, fragte Cara. »Oder in Nairobi? Tom sieht super aus und ist nett und cool. Die werden sich
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