In guten wie in toten Tagen
gleichzeitig.
»Ich weiß nicht …« Cara blickte sich nervös um. Auf der Kommode im Flur standen Sektgläser mit Lippenstiftspuren und zwei leere Proseccoflaschen. Und auf dem Boden lag ein zertretenes Likörei.
»Nur einen Moment«, sagte die Kriminalbeamtin, die jetzt schon auf der obersten Treppenstufe stand. Cara wich unwillkürlich einen Schritt zurück, da trat sie ins Haus. Ihr Blick fiel auf die Flaschen und Gläser. Dann richteten sich ihre grauen Augen wieder auf Cara. »Sonntag.«
»Ich weiß«, sagte Cara.
»Das ist mein Name«, meinte die Polizistin. »Kriminalhauptmeister Sonntag. Mein Kollege Herr Eckert.« Auch der Dicke war inzwischen ins Haus getreten.
»Ich hole Helena«, sagte Cara. »Warten Sie bitte einen Moment.«
Auf der Treppe wäre sie fast wieder auf dem Pappschnabel ausgerutscht. Die Polizei, was wollte die Polizei von Helena? Am Sonntagmorgen um acht Uhr?
Sie riss die Tür zu Helenas Zimmer auf. Erst als sie schon im Raum stand, fiel ihr Tom wieder ein. Und dass sie besser angeklopft hätte.
Es war aber nicht nötig. Denn Helenas Bett war leer.
5
»Meine Schwester ist nicht da«, teilte Cara den beiden Polizisten mit. »Sie muss gestern Nacht noch zu ihrem Verlobten gegangen sein. Die beiden wollen nämlich nächstes Wochenende heiraten«, fügte sie noch hinzu, dabei war das im Moment vollkommen unerheblich.
»Herr Thomas Schenker?«, fragte der dicke Polizist. »Ist das sein Name?«
»Genau.«
Er räusperte sich und blickte Hilfe suchend zu seiner Kollegin, die sich daraufhin ebenfalls räusperte. »Deshalb sind wir hier«, sagte sie.
»Weshalb?« Cara unterdrückte ein Gähnen.
»Herr Schenker … möchten Sie sich vielleicht setzen?«
»Nein, wieso?«
»Sie sind so blass«, sagte Frau Sonntag und blickte demonstrativ auf die Sektflaschen.
»Ich sehe immer so aus.«
»Wie Sie meinen. Herr Schenker wurde heute Morgen tot aufgefunden. In seiner Wohnung.«
»Tom ist … was? Wie ist er denn …?« Alles Blut schoss plötzlich aus Caras Kopf und sackte in ihre Beine. Sie trat zurück, wollte sich an die Kommode lehnen, dabei stieß sie eine der Proseccoflaschen um, die noch halb voll war. Plätschernd ergoss sich der Inhalt auf die Dielenfliesen.
»Vorsicht.« Frau Sonntag stellte die Flasche wieder hin. Dann wischte sie sich die Hände an ihrer Hose ab. »Geht’s wieder? Möchten Sie sich nicht vielleicht doch setzen?«
Cara dachte an das Wohnzimmer, voll Hühnerdeko und schmutzigem Geschirr. Die Küche sah auch nicht besser aus.
»Alles okay«, sagte sie. »Was ist denn jetzt mit Herrn … mit Tom? Wieso ist er tot?«
»Das versuchen wir herauszufinden.«
»Und Helena? Was ist mit Helena? Wo ist sie?«
»Das möchten wir ja gerade von Ihnen wissen.«
»Sie hat gestern Nacht noch mit Tom telefoniert«, sagte Cara. »Ich hab gedacht, er wollte hierherkommen.«
»Warum haben Sie das gedacht?«, fragte Frau Sonntag. »Was hat Ihre Schwester denn gesagt?«
»Weiß ich nicht mehr.« Cara versuchte sich an die Satzfetzen zu erinnern, die sie in Helenas Zimmer aufgeschnappt hatte, aber es war alles weg.
»Wann hat Ihre Schwester mit Herrn Schenker telefoniert?«, fragte ihr Kollege, dessen Name Cara wieder vergessen hatte.
»Ich hab nicht auf die Uhr geschaut. Es war recht spät. Oder vielmehr früh …« Cara unterbrach sich.
Jemand war an der Tür, ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt und gedreht.
»Helena!«
Cara schlug beide Hände vor den Mund.
Ihre Schwester sah furchtbar aus. Sie hatte eine dicke Beule auf der Stirn, rote geschwollene Augen, zerzaustes Haar.
»Wo kommst du jetzt her?«, fragte Cara.
»Was ist denn hier los?«, fragte Helena zurück.
»Tom«, sagte Cara. »Hast du es schon gehört?«
»Was denn?« Nein, offensichtlich hatte Helena keine Ahnung. Ihr Blick wanderte verständnislos von Cara zu den Polizisten und wieder zurück. »Ist was passiert?«
»Kriminalhauptmeister Sonntag. Mein Kollege Herr Eckert«, stellte Frau Sonntag sich wieder vor. »Wo waren Sie, Frau Fliedner?«
Helena starrte sie ratlos an, als hätte sie die Frage nicht verstanden.
»Helena«, fragte Cara. »Wo warst du denn?«
»Ich weiß es nicht.« Helena fuhr sich mit der Linken durchs Haar. Dann wiederholte sie das Ganze mit der Rechten. Ein kleines grünes Blatt löste sich aus einer Strähne und segelte langsam zu Boden.
»Was heißt das?«
»Ich bin vor einer halben Stunde auf einer Parkbank aufgewacht«, sagte Helena. »Ich hab wirklich keinen
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