In guten wie in toten Tagen
Vielleicht eine Schülerin?«
Frau Ehlers zuckte mit den Schultern.
»Wer?«, fragte Cara. »Haben Sie irgendeine Theorie?«
»Sven sagt, dass er mit einer Haarnadel erstochen wurde.«
»Er wurde erschlagen. Aber die Haarnadel steckte in seinem Auge.«
»Sieht tatsächlich nach einer Frau aus.«
»Oder nach einem Mann, der wollte, dass man nach einer Frau sucht.«
»Oder das.« Frau Ehlers schüttelte den Kopf. »Ich weiß es wirklich nicht.«
»Was ist mit Herrn Seidelmann? Wie war sein Verhältnis zu Tom?«
»Gut. Also, zumindest früher war es gut. In letzter Zeit haben sie nicht mehr so viel miteinander unternommen.«
»Warum das?«
»Kann ich Ihnen nicht sagen. Das müssen Sie ihn selbst fragen.« Frau Ehlers blickte auf die Uhr. »Wir müssen jetzt Schluss machen. Grüßen Sie Helena von mir, wenn Sie sie sehen. Es tut mir wirklich leid«, sagte sie und wandte den Kopf ab, damit Cara die Tränen in ihren Augen nicht sah. Sie griff nach ihrer Handtasche und eilte zur Tür, ohne sich zu verabschieden.
richtiges leben im falschen
mach’s gut
sagt yasmin
lass dich nicht unterkriegen
sagt sie
und umarmt mich
und in der umarmung spüre ich
falsche brüste
echte tränen
15
Nach ihrem Gespräch mit Frau Ehlers fuhr Cara zur Arbeit, obwohl es inzwischen schon halb zehn war.
»Ich war heute Morgen noch beim Arzt«, erklärte sie Evi. »Sorry, dass ich mich nicht gemeldet habe.«
»Bist du denn jetzt wieder fit?«, fragte Evi. »Das müssten wir jetzt schon langsam wissen …«
»Ich glaub schon. Was liegt denn an?«
»Hier ist die Hölle los. Vitali fährt gleich in den Stadtpark, da gehst du am besten mit.«
Vitali sah genauso blass und übernächtigt aus, wie Cara sich fühlte.
»Habt ihr euch gestern noch lange unterhalten?«, fragte sie und wollte die Antwort eigentlich gar nicht wissen.
Er schüttelte den Kopf. »Ich war danach noch in der Stadt.« Vielleicht stimmte das, vielleicht auch nicht.
Im Stadtpark schnitt er Büsche zurück, Cara jätete Unkraut, alles wie gehabt. Nur dass es im Park nicht so laut war wie an dem Kreisverkehr.
Sie erzählte Vitali von ihrem Gespräch mit Frau Ehlers.
»Hätte ich mir auch sparen können«, sagte sie. »Egal, mit wem ich rede, keiner weiß irgendwas. Oder wenn sie was wissen, dann erzählen sie es nicht.«
»Na ja. Immerhin hast du einiges über Tom erfahren«, meinte Vitali. »Dass er so ein unsicherer Typ war. Wer hätte das gedacht.«
»Das stimmt. Das war mir wirklich neu.«
»Und dieser andere Lehrer …«
»Sven Seidelmann.«
»Vielleicht solltest du mit dem auch noch mal reden. Diese Frau Dingsda hat doch gesagt, dass er in letzter Zeit nicht mehr so viel mit Tom unternommen hat wie früher.«
»Seine Frau ist schwanger. Das hat er mir selbst erzählt.«
»Das ist doch kein Grund, seinen besten Freund nicht mehr zu treffen.«
Cara seufzte.
»Weißt du, wo er wohnt?«, fragte Vitali.
»Nee. Aber das lässt sich rauskriegen.«
»Ich würd einfach mal bei ihm vorbeigehen. Zu Hause kann er dir wenigstens nicht weglaufen.«
»Aber vielleicht schlägt er mir die Tür vor der Nase zu.«
»Dann hast du’s zumindest probiert. Hast du eigentlich inzwischen mal mit Helenas Anwalt gesprochen?«
»Worüber denn?«
»Na, über alles. Dass Ronja wegen Tom magersüchtig geworden ist. Und dass er Julia den Abischnitt versaut hat. Und dass Viola Helena hasst, weil sie ihr die Schuld für das Ende ihrer Beziehung mit Benny gibt. Wär doch vielleicht ganz interessant für ihn.«
»Aber keine der drei hat Tom umgebracht. Glaub ich jedenfalls.«
»Vielleicht ist die Information trotzdem irgendwie nützlich für ihn.«
»Du hast recht. Ich ruf ihn mal an.« Cara gähnte.
Vitali gähnte ebenfalls und das steckte Cara wieder an.
»Hör auf«, sagte Vitali.
»Würd ich ja gerne. Aber ich kann nicht. Am liebsten würd ich mich auf die Wiese legen und eine Runde pennen.«
»Tu dir keinen Zwang an. Ich verpfeif dich bestimmt nicht.«
Cara lachte. »Das ist nett von dir. Aber wenn ich mich jetzt hinhaue, wach ich nicht mehr auf.«
»Nie mehr?«
»Bis heute Abend nicht. Und dann lieg ich wieder die ganze Nacht wach.«
»Ach, Cara«, sagte Vitali. »Du bist aber auch ein kompliziertes Mädchen.«
»Fällt dir das erst jetzt auf?«, fragte Cara.
In der Mittagspause rief sie ihre Mutter an und fragte sie nach der Telefonnummer des Anwalts. Frau Fliedner hatte keine Ahnung. »Ich erinnere mich im Moment nicht einmal mehr an seinen
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