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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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eine Herausforderung an mich, so wie Eltern ein Kind auffordern, sich erst einmal zu benehmen, wenn es etwas von ihnen will. Dieser » wenn du dich nicht zusammenreißt, erreichst du gar nichts«-Ton.
    Und ich riss mich zusammen, irgendwie. Immerhin so weit, dass ich mit normaler Stimme reden konnte. Eine Stimme, die nicht ironisch, nicht verbittert oder kindisch klingen sollte, sich wahrscheinlich aber genau so anhörte. » Du willst sie malen?«
    Mutter nickte, sagte aber nichts mehr.
    » Ein Porträt?«
    » Ja.«
    » Ich dachte, du malst keine Porträts mehr?«
    Sie zögerte – und ich glaubte schon, sie würde die Fassung verlieren. Vielleicht dachte sie auch nur über die Frage nach, antwortete aber nicht gleich. Dann verzog ein strahlendes Lächeln ihr Gesicht. Ehe ich die Frage stellte, hatte sie selbst so direkt offenbar noch nicht darüber nachgedacht. » Stimmt«, sagte sie und schien sich der Ironie der Situation gar nicht bewusst zu sein, im Gegenteil; sie wirkte grenzenlos glücklich, so wie sie es immer war, wenn sie an etwas Neuem arbeitete, lächelte mich noch einen Moment länger an und kümmerte sich dann wieder um den Tee. » Aber anscheinend habe ich mich geirrt.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Sie wirkte selbstvergessen, beinahe, als wäre in ihr etwas abgeschaltet worden. Ich ging einige Schritte weiter in die Küche vor und spürte urplötzlich eine Kälte. Der seltsame Geruch war noch da, weich, süßlich, rußig, ein Geruch, den ich nicht einordnen konnte, der aber bestimmt von Maia kam. Er war unserem Haus fremd, ein Eindringling, eine Verunreinigung. Meine Wut verrauchte, und ich empfand bloß noch dumpfes Grauen. Stumm beobachtete ich, wie Mutter eine Tasse vor mich stellte und sich dann wieder dahin setzte, wo sie auch mit Maia gesessen haben dürfte. Schließlich raffte ich all meinen Mut zusammen und fragte: » Läuft es gut?« Ich schätze, es war ein Test, der prüfen sollte, ob sie wirklich wusste, was sie da tat.
    Sie spitzte die Lippen, überlegte kurz – und ich merkte ihr an, dass sie wirklich keine Ahnung hatte, worauf sie sich einließ. Sie hatte ein lohnendes Modell gefunden, das war alles. » Kann ich noch nicht sagen«, antwortete sie, » ist noch zu früh.« Dann stand sie auf, ging zum Schrank und griff nach der großen Kuchendose, die sonst nur an Samstagen hervorgeholt wurde.
    » Kann ich es sehen?«, fragte ich.
    Sie stellte die Dose auf den Tisch und öffnete sie. Mutter musste den harten Klang meiner Stimme bemerkt haben, musste gespürt haben, wie aufgebracht ich war, doch blickte sie nicht auf und ließ sich auch auf keine Herausforderung ein. » Nein«, erwiderte sie, hob behutsam den Deckel ab und legte ihn auf den Tisch. » Es ist noch nicht fertig.« Nun sah sie auf. » Möchtest du ein Stück Kuchen?«
    Ich schüttelte den Kopf. » Kommt sie noch mal wieder?«
    Mutter drehte sich um und nahm das große Messer aus der Schublade der Spüle. » Warum fragst du? Hast du was gegen sie?«
    Ich lachte. » Ob ich was gegen sie habe?«, fragte ich. » Weißt du denn nicht mehr, was passiert ist?« Und dann fiel es mir natürlich wieder ein: Mutter glaubte nicht, dass ich Martin im Boot gesehen hatte; sie dachte, ich litte unter Wahnvorstellungen, und Maia hatte ihr bestimmt eine andere Version der Ereignisse jenes Abends aufgetischt, eine Geschichte, die sicher mehr Sinn ergab als meine. Ich fühlte, wie etwas in mir zerbrach, und ich musste mich hinsetzen. » Irgendwas ist passiert«, sagte ich. » Was genau, weiß ich nicht, aber was es auch war, sie ist schuld daran …«
    Mutter schüttelte den Kopf. » Komm schon, Liv«, sagte sie. » Weißt du, für das Mädchen war es auch ein Schock. Sie glaubt, dass an jenem Abend etwas Schreckliches geschah, nur ist sie davon überzeugt, dass es ihr geschah. Ehrlich gesagt, sie ist noch nicht ganz drüber weg. Es hat irgendwas mit diesem Mann zu tun …« Sie schaute mich an, doch ich gab keine Antwort. Ich war zu verblüfft. Unten bei der Hytte musste Mutter doch gesehen habe, was ich gesehen hatte. Wie konnte sie da glauben, was Maia sagte? Und was wollte Maia denn Martin Crosbie auch schon vorwerfen?
    » Tatsächlich?«, sagte ich. » Und was soll ihr geschehen sein?«
    Sie wird die Verachtung in meiner Stimme gehört haben, reagierte aber nicht darauf. » Ich weiß nicht, aber irgendwas ist passiert. Das sieht man ihrem Gesicht an.«
    » Ach ja?«
    » Nun, natürlich …«
    » Und was siehst du da? In ihrem

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