In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten
ließ. Es war das Lächeln eines jüngeren Kindes, das weiß, die Erwachsenen sehen nicht zu, weshalb es beschließt, sich einen Spaß zu gönnen. Sie stand auf und ging mir einige Schritte entgegen. » Ich liebe den Garten bei diesem Wetter«, sagte sie, » du nicht?«
Es war nicht schwer zu begreifen, worauf sie aus war, aber sie vergeudete ihre Zeit, wenn sie hoffte, mich provozieren zu können. Mich ärgerte nicht, dass sie hier war, sondern dass Mutter sie eingelassen hatte. » Das glaube ich dir gern«, erwiderte ich. » Aber gewöhn dich nicht dran. Du bleibst nicht lang.«
Sie lächelte freundlich. » Es ist schön und warm – hier draußen«, sagte sie. » Aber warum ist es drinnen so kal t ?« Sie kam noch näher, und als uns nur noch ein, zwei Schritte trennten, hob sie die Hand, bis sie auf Höhe meiner Brust war, weshalb ich für einen Moment glaubte, sie wolle mich berühren.
» Wir mögen es kühl«, sagte ich und musste mich zwingen stehen zu bleiben. Ich wollte nicht, dass sie mich berührte, wollte aber auch nicht vor ihr zurückweichen. » Ist es im Haus zu warm, lockt man kilometerweit allerhand Ungeziefer an.«
Da lachte sie – und obwohl sie direkt neben mir stand, ihr Gesicht meinem viel zu nah, klang das Lachen weit fort, so als käme es aus großer Ferne, fast wie das Gelächter, das man bei Aufnahmen manchmal hört, wenn jemand im Studio etwas Lustiges tut oder sagt, was man selbst nicht versteht, woraufhin dann im Hintergrund Leute lachen, weit fort und zugleich so nah, eingeweiht in ein Geheimnis, das man selbst nicht kennt. » Vielleicht«, sagte sie, » aber vielleicht gibt es dafür auch einen anderen Grund.« Sie wartete einen Moment, als wollte sie sehen, wie ich reagierte, und als ich nichts sagte, lächelte sie. » Es heißt, ein Haus nimmt den Charakter der Menschen an, die in ihm wohnen …«
» Dann ist ja nur gut, dass du nicht hier wohnst«, sagte ich.
Wieder lachte sie. » Das stimmt. Das wäre auch zu verwirrend.« Sie trat einen Schritt beiseite und drehte sich leicht, um zur Haustür zurückzuschauen, die noch offen stand, direkt auf der Schwelle ein weißlicher Fleck Sonnenlicht, im Flur dahinter ein dunkler, bräunlicher Schatten. » Sag«, forderte sie mich auf, » hast du schon mal mit einem Mann gevögel t ?« Sie sah mich von der Seite an, im Gesicht immer noch das einstudierte, freundliche Lächeln. » Oder bist du so kalt wie euer nettes, kaltes Haus …?«
Ich schüttelte den Kopf. Ich würde mich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Diese Befriedigung gönnte ich ihr nicht. » Hast du hier noch was zu tun?« fragte ich. » Wird Mutter dich heute noch einmal – brauchen?«
Darauf reagierte sie mit einem harten, hellen Lachen, konnte ihren Unmut aber nicht ganz verbergen, weshalb ich begriff, dass stimmte, was ich zuvor nur vermutet hatte – Mutter war mit ihr fertig. Sie hatte die Arbeit am Bild beendet und begann bereits, sich zurückzuziehen, nicht nur vom Porträt, sondern auch vom Modell. Außerdem war es ihr beim Malen eigentlich nie um Maia gegangen, sondern um etwas anderes. Um etwas, das sie im Gesicht des Mädchens gesehen hatte, das aber nicht ganz zu ihm gehörte, um ein Phantom, das eine Zeit lang in seinen Augen Zuflucht gesucht hatte und bald weiterziehen würde.
Maia sah zu Boden, und einen kurzen Augenblick lang dachte ich, sie beiße sich auf die Lippen. Aber auch das war nur gespielt. Alles an ihr war Verstellung, und ich ahnte, wenn ich auch nur die Hand ausstreckte und sie anstupste, zerbröckelte die selbstgewisse, anmaßende Fassade. Ihr Äußeres nur eine sorgsam aufrechterhaltene Illusion. Aber ich streckte die Hand nicht aus, teils, weil ich mir nicht sicher war, teils auch, weil ich nicht wollte, dass die Fassade in sich zusammenbrach. Es war leichter, Maia eine Weile nicht zu mögen, als zuzusehen, wie sie zu dem selbstverlorenen Mädchen wurde, das sich womöglich hinter der Fassade verbarg. Lässt man die Menschen den Anschein wahren, kann man sie sich selbst überlassen, wagt man sich aber so weit vor, dass sie ihre Verstellung aufgeben, riskiert man stets, ins nachfolgende Chaos einbezogen zu werden – und ich wollte in gar nichts einbezogen werden.
Die Gefahr bestand allerdings auch nicht – zumindest noch nicht. Maia hielt die Verstellung gerade so lange aufrecht, dass ich bereits glaubte, ihre Gefühle verletzt zu haben, aber dann blickte sie auf und grinste mich an. » Ehrlich gesagt muss ich tatsächlich fort –
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