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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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zumindest für eine Weile.« Wehmütig blickte sie zum Haus hinüber, allerdings war mir nicht klar, wem oder was sie nachtrauerte. » Deine Mutter muss über ein paar Dinge nachdenken«, sagte sie, nur schien sie gar nicht mehr mit mir zu sprechen. » Sie ist eine komplizierte Frau.«
    Darüber hätte ich fast laut gelacht. Die Anmaßung dieses Mädchens kannte wirklich keine Grenzen. » Findest du?«, fragte ich.
    Sie wandte sich wieder zu mir um, und ihr Gesicht strahlte. » O ja, sie ist ein Rätsel.« Jetzt klang sie fast wie Kyrre Opdahl.
    » Nun«, sagte ich, » lass dich nicht aufhalten.« Einen Moment lang musterte ich ihr Gesicht und hoffte, meine Miene verriete keine Anzeichen von Triumph – hätte sie die gesehen, hätte sie gewusst, dass ich mir nicht immer sicher gewesen war, gegen sie gewinnen zu können –, dann trat ich bedächtig beiseite und ging, ohne ihr den Rücken zuzukehren, einige Schritte in Richtung Haus. Ich wollte sie nicht länger sehen müssen. Dabei ärgerte mich weder ihre Unverschämtheit, noch tat sie mir leid, ausgenommen jenen einen, kurzen Zeitraum, und auch der fühlte sich jetzt wie ein Triumph an – ein Triumph, der mich aber eher beschämte. Nun, Triumph hin oder her, ich hatte immer noch Angst vor ihr, und an jenem Tag begriff ich endlich, warum das so war. Wie sie vermutete, hatte ich Angst davor, sie könnte mich berühren. Nichts Schlimmeres, nur eine Berührung. Doch wenn sie mich berührte, war ich auf immer gezeichnet, deshalb konnte ich nichts mehr sagen, bis ich mich außerhalb ihrer Reichweite befand. Sobald ich es war, hätte ich ihr den Rücken zukehren und sie stehen lassen können. Aus sicherer Entfernung hätte ich großzügig sein und die Dinge auf sich beruhen lassen können, hätte mir sagen können, dass sie schon bald wer weiß wo sein würde und ich sie gewiss nie wiedersähe. Das glaubte ich noch, und auch wenn ich wütend auf Mutter war, weil sie Maia ins Haus gelassen hatte, beruhigte mich die Gewissheit, dass Mutter sie ebenso leichthin wieder fortschicken würde. Durchaus möglich, dass Maia ihre Beziehung zu Mutter für etwas Persönliches hielt, nur wusste ich es besser. Mutter sah in ihr ein Modell, nichts weiter, und nun, da das Bild fertig war, würde sie sich etwas anderem zuwenden. All das hätte gereicht, es mir zu erlauben, wenigstens in diesem Moment freundlich zu ihr zu sein. Ich hätte ohne Weiteres nichts sagen und sie mit dem Pyrrhussieg allein lassen können, den sie so unbedingt anstrebte. Aber das tat ich nicht. » Ich frage mich nur«, sagte ich, » warum du nicht wieder zu dir nach Hause gehst. Da ist es doch bestimmt warm und gemütlich.«
    Ihre Miene verhärtete sich, nur eine Sekunde lang, aber ich habe es gesehen. Sie war jetzt wirklich verärgert, wenn auch nur den allerkürzesten Augenblick lang, und das sah nicht nur ich ihren Augen an, sondern auch sie sah, dass ich es gesehen hatte. Sie fasste sich rasch wieder. » Tja«, sagte sie, und das strahlende Lächeln kehrte zurück, » du weißt ja, was man sich so erzählt.« Erwartungsvoll hielt sie inne, als würde ich wirklich wissen, was man sich so erzählte. Dann lachte sie – das gleiche Lachen, weit fort und wissend, nicht spöttisch, eher, als lachte sie über einen Scherz, den nur sie allein verstand und der sich niemandem sonst mitteilen ließ. Zumindest niemandem wie mir. » Mein Zuhause liegt im Wind«, sagte sie, ein Zitat, nur wusste ich nicht, woher. » Und ich gehe hin, wohin der Wind mich trägt.« Ein paar Sekunden noch studierte sie mein Gesicht, dann deutete sie ein Kopfnicken an, um sich gleich darauf abzuwenden. Es war das leichte Kopfnicken eines Menschen, der gerade gute Neuigkeiten oder ein seltenes Kompliment erhalten hat, doch war es auch die kalkulierte, wenn auch kaum wahrnehmbare Geste der Siegerin in einem subtilen Spiel, in dem sie mich, nur für eine gewisse Zeit und ausschließlich zu ihrem eigenen Vergnügen, glauben ließ, ich könnte gewinnen. Jetzt sah ich ein, sie hätte nie besiegt werden können; und auch wenn ich nicht wusste, worin ihr Sieg eigentlich bestand, drehte ich mich rasch um und ging zurück zum Haus – auf dem Weg hielt mich, genau wie damals, als ich sie auf der Wiese traf, die eiskalte Angst gefangen, dass sie mir folgte und dass sie, wenn ich stehen blieb, direkt hinter mir war und ihre Hand ausstreckte, um mich zu berühren, wenn ich es auch nur wagte, mich nach ihr umzuwenden. Ich verlor diese Angst erst, als ich

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