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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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über die Schwelle trat, mich umdrehte, um die Tür zu schließen und Maia fortgehen, das Gartentor öffnen und im Birkenwald verschwinden sah, den Weg hinab zur Straße nach Brensholmen. Allem Anschein nach ein ganz gewöhnliches Mädchen, das an einem sonnigen Tag spazieren ging – und wenn er sich nicht in ebendiesem Moment bewegt hätte, wäre ich mit Maia viel zu beschäftigt gewesen, um Kyrre Opdahl zu bemerken, der halb versteckt im Schatten unter den Birken am anderen Ende des Gartens stand. Ich weiß nicht, wie lange er sich dort schon aufhielt hatte, doch als er mich sah, schüttelte er fast unmerklich den Kopf, ehe er sich umdrehte und ging. Da wusste ich, dass er uns schon die ganze Zeit beobachtet hatte und dass diese winzige, fast unsichtbare Geste ein Zeichen für mich war. Nur ob er mich damit bat, seine Anwesenheit nicht zu verraten, oder ob mir dieses Signal sagen sollte, wie sehr es ihn bekümmerte, dass er mitansehen musste, wie die Huldra unser Haus verließ, als stünde es ihr zu, sich dort aufzuhalten, hätte ich nicht zu sagen vermocht, und einen Moment später war er fort, trat zurück in den dunklen Schatten und verschwand eilig im Schutz der Bäume.

***
    Sobald ich mich überzeugt hatte, dass Maia wirklich fort war, ging ich auf mein Zimmer. Ich wollte allein sein. Den Rest des Tages blieb ich dort, tat aber nicht, was ich gewöhnlich tat, wenn ich allein war, sah mir keine Bildbände an und dachte auch nicht darüber nach, was die Zukunft bringen mochte; ich saß einfach nur am Fenster und schaute hinaus auf den Fjord. Heute ist mir klar, dass ich verstehen wollte, was geschehen war, denn ich wälzte Details in meinem Kopf und versuchte, sie alle in eine überzeugende Erzählung zu verpacken, doch wie ich sie auch drehte und wendete, nichts ergab einen Sinn. Anfangs habe ich wohl gedacht, ich würde erst aufgeben, wenn ich die Antwort kannte, doch als sich am späten Nachmittag noch immer nichts ergeben hatte, was einer Antwort auch nur entfernt ähnlich sah, trat ich ans Fenster und entdeckte draußen am Ende unserer Auffahrt Kyrre Opdahls Auto auf der Straße. Einen Moment lang nahm ich an, er würde uns Neuigkeiten von Martin Crosbie bringen, dann jedoch wendete er und rollte langsam den Grasweg zur Hytte hinab, um gleich darauf mit einer großen Plastikkiste in der einen und einer Rolle Mülltüten in der anderen Hand wieder aufzutauchen. Selbst aus dieser Entfernung merkte ich ihm an, wie müde und abgekämpft er war – und ich wusste, ich musste ihm helfen. Ich hoffte, er würde nicht über das Gesehene reden wollen – mittlerweile fand ich, dass Mutter mit ihrer Beziehung zu Maia einen schlimmeren Verrat an ihm als an mir begangen hatte –, falls es aber doch dazu kam, wollte ich ihm erzählen, dass Mutter die Arbeit am Porträt beendet hatte, und dass Maia bald für immer fortgehen würde.
    Mutter meint, es gebe nichts Schöneres als eine regennasse Wiese. Und weil sie so schön ist, sagt sie, ist sie auch nicht einfach zu malen, im Gegenteil, offensichtliche Schönheit ist unglaublich schwer festzuhalten. An jenem Vormittag sah ich, was sie meinte, denn unterwegs fiel mir auf, dass ich durch eines von Mutters Bildern lief, ein Werk, an dem sie, als ich etwa fünfzehn war, wochenlang gearbeitet hatte. Das Bild sei möglich geworden, sagte sie später, weil die Schönheit durch die Jahreszeit gedämpft wurde: Am Ende des Sommers hatten sich erste Spuren von Verfall eingeschlichen, hier einen Samenkopf getönt, dort einen Grashalm grau oder braun gefärbt, während alles vom Regen glänzte, ohne zu frisch zu wirken, überzogen mit einem Hauch Rostrot oder Kohlschwarz in ebenjenem Augenblick, der nach dem letzten Aufblühen, doch vor dem Sturz ins Nichts kommt. So war es auch heute – und das überraschte mich, ich hatte es noch nicht erwartet. In ein oder zwei Wochen würde herbstliche Kälte einsetzen, dann stand am Ufer der Landspitze nur noch trockenes, drahtiges Gestrüpp, hier und da mit letzten diesjährigen Beeren und den kreidigen, minzgrünen Kråkebolle betupft, die von den Möwen ins Land getragen und auf Steinen zerschmettert wurden. Dieses Jahr schien der Herbst zu früh zu kommen, aber mir machte das nichts aus, und zu meiner Schande ertappte ich mich bei dem Gedanken, dass es für Heimsuchungen bald zu kalt sein würde, an der Küste zu windig für Geister und Gespenster. Da draußen, dachte ich, war der Winter selbst für die Huldra zu ungemütlich.
    Als ich zur

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