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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burnside
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Eindruck, dass er verloren wirkte, verletzt, beinahe wie ein aus dem gewohnten Lebensraum gestromertes Tier, das sich zwischen Hinterhöfen, Drahtzäunen und Autos ausgesetzt fand, ein aus der Deckung gescheuchtes Waldgeschöpf ohne Möglichkeit, sich zu verstecken. Stimmt, die Gesichtszüge waren zart, doch von einer Zartheit, wie man sie von manchen Tieren kennt, von Rehen etwa oder Füchsen. Es war eine Zartheit, wie sie gleichsam natürlich zu einem besorgten Wesen gehört, die Zartheit von jemandem, der stets ein wenig mehr erwartet, der ausharrt, fürchtet oder hofft – was für ihn vermutlich so ziemlich dasselbe war. In früherer Zeit gab es Menschen, die zum Horizont gehörten – Kyrre hatte mir davon erzählt –, und da sie besser als alle anderen Menschen sehen konnten, machte man sie zu Beobachtern; ruhige, gedankenverlorene Wachposten, die wussten, was kommen würde, dessen Bedeutung aber nie ganz begriffen; Himmelsbeobachter, die über Sternbilder berichteten, sie aber nie zu deuten wussten. Martin Crosbie war einer von diesen Menschen.
    Ich war ihm nie zuvor begegnet, wusste aber, er war Kyrres Sommergast. Er hatte diesen verwirrten, leicht abwesenden Blick des kürzlich Eingetroffenen, und es wurde zudem rasch deutlich, dass er nach etwas suchte, was ihn in dieser neuen Landschaft aus Wasser und Licht verankerte, dass er sich nicht so sehr davon zu überzeugen versuchte, hierher zu gehören, als davon, dass ein Dazugehören überhaupt möglich war. Er brauchte einen Zugang zu alldem hier, und er musste geglaubt haben, unser Haus – ein Haus, das er, wie er sich eingeredet haben musste, schon einmal gesehen hatte, sei es in einer Tourismusbroschüre oder als Tuschezeichnung in einem alten Reiseführer – könnte den Brennpunkt für etwas bieten, was ansonsten kaum mehr als ein Traum wäre. Eigentlich jedoch wollte er etwas wiedererkennen, nur fürchte ich, dass er damals nicht wusste, wie stark ein Déjà-vu-Erlebnis in diesem Teil der Welt selbst für Menschen sein kann, die hier ihr ganzes Leben verbracht haben.
    Ich hatte diesen Blick übrigens schon öfter gesehen. Leute, die herkommen, können es meist nicht verkraften: das Licht, den Himmel, die tiefe Stille. Liest man darüber in Geografiebüchern, hört es sich nach nichts Besonderem an: eine kleine Insel, vielmehr eine Inselkette, die von Tromsø im Osten bis Hillesøy im Westen reicht, mit Kvaløya in der Mitte, drei Inseln, zu einer zusammengefasst, fast wie ein Kleeblatt. Unser südlichstes Blatt hat die meisten Bewohner. Auf der Karte sieht es wie ein fliegender Engel aus, doch es ist nur eine von vielen Inseln im Polarkreis, gesäumt von nicht sonderlich aufregenden Küstensiedlungen – Straumsbukta, Skognes, Mjelde, Bakkejord und Sandvik – rund um ein ruhiges, nahezu verlassenes Landesinnere aus Wäldern und flachen Bergen, in dem man vereinzelt Herden scheuer, zugewanderter Elche findet, auch wenn hier zudem noch etwas Älteres, der Sprache nicht recht Zugängliches haust. Die einzige befahrbare Straße führt durch die zersiedelten, seewärts ausgerichteten Dörfer bis hinauf zur Fähre in Brensholmen oder zu den weißen Stränden von Sommarøy, ehe sie im geheimnisvollen Hillesøy endet. Dort kann man Rentiere und auch unsere arktischen Orchideen entdecken, die ich viel zarter und schöner finde als die exotischen Blüten im Blumenladen. Geht der Sommer zu Ende, kann man da auch Moltebeeren sammeln; Mutter sagt, nichts schmecke so gut wie diese Moltebeeren, so wie es auch keinen prächtigeren Anblick gebe als das von hinter Hillesøy aus gesehene Nordlicht, da, wo die Insel den knapp einem Dutzend Häusern den Rücken zukehrt und ins Dunkel ausläuft.
    Einen Fremden kann dieser Ort allerdings überwältigen. Er ist nicht so dramatisch, auch nicht so postkartenschön wie die Fjorde im Westen; er wirkt einfach nur karg und leer und nachts so still und weit, dass er selbst die größten Pragmatiker dazu bringen kann, an Geister zu glauben. Hier, auf dem siebzigsten nördlichen Breitengrad, kommt es nicht selten vor, dass Besucher sich zu Anfang einige Tage lang fragen, warum sie überhaupt gekommen sind. Sie haben sich für diese Reise entschieden, haben Tickets für die diversen Fähren gekauft oder sind zweitausend Kilometer über Land gefahren, um sich von Kyrre Opdahl eine primitive Hytte zu mieten, und plötzlich wissen sie nicht mehr, warum sie das eigentlich auf sich genommen haben. Während sie die Reise planten, während

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