In ihrem Blut: Thriller (German Edition)
gab auch einen Spruch über Schafe und Lämmer, aber der Burgunder brachte seinen Verstand völlig durcheinander. Außerdem hatte er diese Chance ergriffen, weil er dachte, schlimmer könnte es nicht kommen.
Wie sehr man sich doch irren kann.
Er leerte das Glas.
»Ahoi, volle Fahrt voraus, wir gehen alle unter«, sang er und lachte.
»Ludovic? Was machst du da unten?«, rief eine nörgelnde Stimme von oben.
Sein Lachen verwandelte sich in Tränen. Es war nicht das Geld. Die Liebe hatte ihn ruiniert. Seine Mutter hatte recht behalten. Er hatte sich übernommen. Er hatte mit den großen Hunden pinkeln wollen und das Bein nicht heben können. Jetzt war er erledigt.
Er stellte sein Glas ab und torkelte aus dem Weinkeller die Treppe hoch und den klassisch schwarz-weiß gefliesten viktorianischen Flur entlang zum Esszimmer, wo seine Frau gerade kleingeschnittenes Fischfilet mit Avocadoscheiben und Tomatenperlen auftrug.
»Nestor! Wo gehst du hin?«, fragte sie erstaunt.
»Ich muss jemanden wegen eines verdammten Köters aufsuchen«, antwortete er und stolperte hinaus in die Nacht.
23
Von den Aperitifs im Prospect of Whitby war er zum Lunch im Gallows Restaurant im Captain Kidd übergegangen. Fernley-Price hatte sich ein Motiv für den Tag ausgedacht, und damit konnte er genauso gut in seinem Club weitermachen.
Hier gab es jede Menge Piraten, die einander alle mieden, aus Angst, zufällig auf einen Gläubiger zu stoßen, und das konnte jeder sein. In diesem Klima wusste niemand genau, wer wem wie viel schuldete. Der Club war voller teiggesichtiger, elender City-Typen, die in ihren Ruinart schluchzten. Sie saßen alle im selben Boot, also war doch alles egal.
Noch einen Drink und er würde erneut einen Versuch starten und das feiste Frettchen kontaktieren, um den neuesten Stand ihres Vermögens zu erfahren. Er musste nach vorn blicken, nicht zurück, das Kinn hochrecken und eine positive Antwort erwarten – nein, fordern. Nach all den erbrachten Opfern und eingegangenen Risiken durfte er jetzt keine Schwäche zeigen.
Die Beteiligung an der Schattenwirtschaft war nicht auf Fernley-Prices Mist gewachsen, doch wenn er schließlich absahnte, würde er behaupten, alles wäre seine Idee gewesen. Es gab niemanden, der das Gegenteil behaupten oder an dem Triumph teilhaben konnte, was ihm ziemlich den Spaß daran verdarb, wenn er es sich recht überlegte. Vielleicht sollte er sich noch zwei Drinks genehmigen und dem Kellner so eine Tour ersparen.
Drei Drinks später entschied er, falls der Mistkerl nicht zurückrief, war es auch sinnlos, ihn anzurufen.
Eins geschissen.
Er reagierte selbst auch nicht auf Anrufe, ein Dutzend seit dem Lunch, alle von demselben Anrufer. Darum würde er sich später kümmern. Jetzt würde er erst mal den Löwen in seiner Höhle aufsuchen.
Fernley-Price stolperte aus dem Club und fand ein Taxi, das praktischerweise auf seinesgleichen wartete, und ließ sich auf den Rücksitz fallen.
»Poplar!«, befahl er.
Wieder so ein Geldhai, dachte der Taxifahrer, der gerade erst alle seine Ersparnisse an irgendeine Wikingerbank verloren hatte. Er trat heftig aufs Gas und schleuderte den besoffenen Arsch auf den Boden.
Im Silent Woman war es ungewöhnlich still. Doyle saß allein an seinem üblichen Tisch und kippte ein Pint nach dem anderen, bevor er hinausfuhr und Frank die schlimme Nachricht überbrachte. Inzwischen wusste man über Gina Bescheid und hielt ihm gegenüber respektvollen Abstand. Er wusste, dass manche behaupten würden, sie wäre eine Verräterin gewesen und hatte verdient, was mit ihr passiert war. Aber nicht in seiner Hörweite.
Die Polizei hatte die Leiche noch nicht freigegeben. Er mochte gar nicht daran denken, dass sein kleines Mädchen im Leichenschauhaus auf dem kalten Seziertisch lag und dass in ihr herumgestochert wurde. Sie hatten ihm nicht sagen wollen, wie sie gestorben war.
Sie würden ihn auf die Wache bestellen, wenn der Arzt anwesend war, und eine Blutprobe nehmen, um zu beweisen, dass sie seine Tochter war. Das war nicht das letzte Blut, das vergossen werden würde. Er machte ein Zeichen für das nächste Pint.
Die Tür ging auf, und Fernley-Price kam hereingestolpert, sternhagelvoll.
»Was für eine Kälte! Das friert ja einem Affen die Eier ab!«, verkündete Fernley-Price laut und ließ die Kneipentür hinter sich offen.
»Mach die verdammte Tür zu, du Schwachkopf«, schrie ein alter Mann mit Schiebermütze, der hier seit 1956 hockte. Die angriffslustige
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