In ihrem Blut: Thriller (German Edition)
Grimasse von Fernley-Price entzerrte sich angesichts der plötzlichen Stille und der wachsamen, drohenden Haltung der anderen Gäste.
»Schon gut«, murmelte er.
Doyle seufzte, als Fernley-Prices Blick auf ihn fiel.
Der besoffene Arsch trat die Tür ins Schloss und torkelte zu ihm, ließ sich auf den Stuhl gegenüber fallen und legte die Hände flach auf den Tisch, um sich zu fangen.
»Kumpel, Sie haben meine Anrufe nicht erwidert«, sagte er. Er zerrte sein Handy hervor und winkte damit in Doyles Richtung, wobei er das Lichtsignal übersah, das ihm die eigenen ignorierten Anrufe vorwarf.
Doyle antwortete nicht.
»Ich habe gesagt …«
»Ich habe es gehört«, sagte Doyle.
»Tja, aber das ist ja wohl verdammt noch mal keine Antwort.« Fernley-Price hatte Doyles Gemütslage offensichtlich noch nicht registriert. »Wir müssen die Kommunikationskanäle frei halten.« Er klatschte sein Handy auf den Tisch. »Wie läuft’s Geschäft?«
Doyle antwortete mit leiser Stimme.
Fernley-Price beugte sich nach vorn, um alles mitzubekommen, schlug mit dem Kopf auf die Tischplatte und brachte Doyles Pint zum Überschwappen.
»Was? Wasshamse gesacht?«
Ohne Warnung krallte Doyle seine Hände um Fernley-Prices Hals und quetschte dessen Adamsapfel zwischen seinen dicken Daumen und zwei exakt platzierten Fingern. Fernley-Price konnte weder schlucken noch Luft holen.
»Ich habe gesagt, ich habe einen Trauerfall in der Familie!«
Fernley-Price hatte die Augen aufgerissen und hob die Hände in schweigender Ergebung.
Doyle ließ ihn los.
»Gut, bedaure, wusste ich nicht, gut, geht klar. Bedauerlich. Nehmen Sie sich alle Zeit der Welt, alter Knabe. Tun Sie, was Sie tun müssen, und melden Sie sich irgendwann bei mir«, krächzte Fernley-Price und rieb sich den Hals.
Doyle stand auf und legte eine Hand auf die bebende Schulter des Bankers.
»Nichts für ungut, Kumpel. Ich hab den Kopf voll.«
Fernley-Price nickte.
Als Doyle sich auf dem Absatz umdrehte und hinausging, beugte sich der Wirt über den Tresen und sagte zu dem wie betäubt dasitzenden Fernley-Price: »Geht Mr. Doyles Rechnung dann auf Sie?«
Das kleine Zwischenspiel mit Fernley-ach-wie-höflich hatte Doyle auf die Idee gebracht, wie er es Frank stecken wollte. Er würde sich keinen Scheiß vorwerfen lassen. Frank würde ihm die Schuld an Ginas Tod in die Schuhe schieben, so wie er ihm an allem die Schuld gab. Dafür dass Nancy gegangen war, zum Beispiel.
Doyle schüttelte es bei dem Gedanken, dass Nancy irgendwo da draußen war und nicht über Gina Bescheid wusste. Es sei denn, Gina hätte sie in der Zwischenzeit aufgespürt, oder vielleicht war Nancy ja die ganze Zeit mit Gina in Verbindung geblieben, und sie hatten sich gemeinsam ausgedacht, dass sie ihn ans Messer liefern wollten.
Er hatte Frank von der Observierung nichts erzählt, weil Frank ihm auch dafür die Schuld gegeben hätte. Deshalb würde er ihm jetzt ganz bestimmt nicht die ganze Geschichte erzählen, von dem Sonderdezernat und allem anderen, und dann sagen, dass Gina sie beide verpfiffen hatte. Frank würde nur rumfluchen und dann loslegen, was für ein nutzloses Stück Scheiße Doyle wäre, und dass Gina nur seinetwegen von zu Hause weggegangen war. Das wollte er sich nicht bieten lassen.
Es waren nur zehn Meilen von Poplar bis Chigwell, aber als er nach der Durchfahrt durch Leytonstone zur Auffahrt bei Green Man kam, dachte er nicht zum ersten Mal, dass das hier eine genauso öde Landschaft wie überall war. Beim nächsten Kreisverkehr nahm er die Abfahrt nach Hollybush Hill. Das hörte sich an wie aus einem Roman von Enid Blyton. Ihm gefiel dieses offene Land nicht, Sportplätze, sogar Pferde – davon kriegte er Zustände. Fish-and-chips-Buden waren meilenweit entfernt, und verdammte Currys gab es schon gar nicht.
Als er vor dem Grundstück anhielt, hatte ihn sein Mut fast gänzlich verlassen. Er blieb einen Moment im Auto sitzen und hörte den Motor ticken, als die Kälte zuschlug. Dann stieg er langsam aus.
Frank öffnete die Tür in Schlafanzug und Strickjacke, seine Riesenpranken steckten in fingerlosen Handschuhen.
»Mitten in einer meiner Lieblingssendungen.«
Doyle trat an ihm vorbei in den Flur.
»Entschuldige, dass ich dich beim Fernsehen störe, Paps«, sagte er.
Frank schloss die Haustür und folgte ihm in die Küche.
»Koch einen Tee, Paps«, sagte Doyle.
»Macht einer von den Kunden Rabatz? Ich hab dir immer gesagt, du sollst ihnen von Anfang an die Faust
Weitere Kostenlose Bücher