In ihrem Blut: Thriller (German Edition)
bloß aus der Welt geworden?«
Sie schluckte schwer. »Bitte.«
Der Junge zockelte davon.
Sie ging durch die Fahrkartenhalle und überprüfte alle Tunnels. Das Signal war gegeben worden, und die Dealer waren verschwunden. Keiner würde ihr etwas verkaufen. Sie war nicht bekannt, und ihre Beschreibung – mittleren Alters und weiblich – passte nicht auf User. Sie hielten sie für eine Undercover-Polizistin, die sie reinlegen wollte. Was für eine gottverdammte Ironie.
Sie verließ den U-Bahnhof und bog in die Hackney Road ein, wo sie ein billiges Hotel mit einer Bar und Internetanschluss kannte.
Sie konnte heute nicht nach Hause gehen, vielleicht auch länger nicht, falls sie steckbrieflich gesucht wurde. Aber darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken und auch nicht über Dempsters Rolle in dem Ganzen. Es war ein beschissener Albtraum.
57
Thompson checkte von seinem Computer zu Hause aus zum x-ten Mal seine E-Mails im Büro. Er begriff nicht, warum Berlin ihm nicht die Mailbox-Aufnahme geschickt hatte. Sie ging auch nicht ans Handy. Er hatte geglaubt, sie hätten eine Abmachung getroffen, aber vielleicht traute sie ihm nicht. Er konnte ihr kaum die Schuld daran geben, so wie diese tickende Zeitbombe Dempster sich aufgeführt hatte.
Er überlegte, ob er noch mal im Krankenhaus anrufen sollte. Wieder und wieder erkundigte er sich nach Fernley-Prices Zustand und vergewisserte sich, dass der Polizist noch Wache hielt. Allmählich hatten die Schwestern auf der Station die Nase voll von ihm. Jedes Mal war es dieselbe Leier: Fernley-Prices Zustand war stabil, aber er war immer noch bewusstlos, und der Polizist war da und trank Tee.
Der Arzt hatte Thompson gesagt, dass man zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststellen konnte, ob Fernley-Prices Hirnschwellung zu einer dauerhaften Schädigung führen würde. Die Verletzung am Kinn stammte wohl von einem Kinnhaken, die Verletzung am Kopf von einem Tritt. Anscheinend war es ein Wunder, dass Fernley-Price überhaupt hatte stehen können, und er hätte niemals aus dem Privatkrankenhaus entlassen werden dürfen.
Erkundigungen dort erbrachten, dass seine Krankenversicherung abgelaufen war und damit auch ihr Mitgefühl. Die Untergrenze kommerzieller Rentabilität verlief ganz knapp über dem hippokratischen Eid.
Niemand wusste genau, wo der Angriff erfolgt war. Ein guter Samariter – wahrscheinlich der letzte in London – hatte ihn die Liverpool Street entlangkriechen sehen und den Notarzt gerufen.
Thompson hatte mithilfe der örtlichen Polizei eine schnelle Untersuchung der unmittelbaren Umgebung veranlasst, da sie dafür zuständig war. Aber es war nichts dabei herausgekommen. Er konnte erst weitermachen, wenn Fernley-Price aufwachte.
Geistesabwesend starrte er auf den Bildschirm, ging noch einmal die Informationen durch und versuchte, die Beziehungen zu analysieren, die den Schlüssel zu Gina Doyles Ermordung liefern mussten. Jetzt wünschte er sich einen Zugriff auf Berlins Software. Er kritzelte Notizen auf den Rand einer Zeitungsseite neben ein halb gelöstes Sudoku.
Jeremy Fernley-Price war Doyles Schwiegersohn, was Doyle aber nicht wusste. Doyles Tochter war Mrs. Fernley-Price. Sie hatte ihren Vater verpfiffen. Fernley-Price war außerdem Ludovic Nestors Privatbanker. Als Fernley-Price abstürzte, war Nestor mitgestürzt.
Nestor hatte sich an demselben Ort umgebracht, an dem Gina Doyles Leiche gefunden worden war. Hatte er das getan, um ein letztes, schauriges Statement zu Fernley-Price abzugeben? Tat er das, um anderen Schuldgefühle zu machen oder weil er schuldig war?
Schwer zu glauben, dass Nestor Fernley-Prices Frau umbringen würde, um sich für seine finanziellen Verluste zu rächen.
Und was war mit Fernley-Price selbst? Man suchte nie nach Motiven, wenn Eheleute sich gegenseitig umbrachten, aber hier gab es eins. Was, wenn er herausgefunden hatte, dass sie Doyle verraten wollte? Indem sie Doyle ans Messer lieferte, tat sie das faktisch auch mit Fernley-Price. Zum Zeitpunkt ihres Todes wussten nur Leute beim Sonderdezernat, dass sie eine Informantin war, und sie hatte das Pseudonym Juliet Bravo benutzt. Damals wussten sie nicht, wer sie in Wirklichkeit war. Das letzte Gespräch zwischen Nestor und Fernley-Price konnte hier bestimmt helfen.
Er sah wieder nach seiner E-Mail. Nichts. Wo war sie, zum Teufel? Er hatte es im Urin, dass sie mehr wusste, als sie zugeben wollte, mit all diesem Material, das sie in ihrem Computer hortete.
Sie stellte seine
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