In kalter Absicht
worden. Und einer mit einem eingegipsten linken Bein. Allesamt von pflichtbewußten Mitbürgern angezeigt.«
Yngvar schaute schnell auf seine Armbanduhr.
»Kann ich mir vorstellen. Ich habe eine Verabredung. Hattest du noch mehr?«
Sigmund Berli zog einen Computerausdruck aus der Hosentasche. Der Ausdruck hatte die Form seiner Hinterbacke angenommen, und Sigmund lächelte bedauernd, als er ihn auseinanderfaltete.
»Das ist nur eine Kopie. Mit meinen Kritzeleien. Ich habe einen sauberen für dich bestellt. Wir haben endlich einige Berührungspunkte zwischen den Familien gefunden. Wir haben alles eingegeben, was wir haben, absolut alles. Und das hier ist dabei herausgekommen.
Yngvar sah sich den Ausdruck an.
»Wurde aber auch Zeit«, sagte Yngvar. »Irgendeine Verbindung mußte es zwischen diesen Menschen doch einfach geben. Aber …«
Für die nächsten Minuten vertiefte er sich abermals in den Ausdruck.
»Diese Sonja Værøy Johnsen können wir wohl ausschließen«, sagte er endlich. »Der Klempner kommt mir auch nicht sonderlich interessant vor. Warum ist Karsten Åslis Adresse unbekannt? Könnt ihr ihn beim Einwohnermeldeamt nicht finden?«
»Nein, aber das ist wohl das häufigste Vergehen, das wir Norweger uns zuschulden kommen lassen. Uns bei einem Umzug nicht umzumelden, meine ich. Eigentlich soll das ja innerhalb von acht Tagen passieren. Ein großes Problem ist das sicher nicht. Wir haben der Sache nur noch nicht richtig nachgehen können.«
Yngvar faltete den Bogen zusammen und steckte ihn in die Jackentasche.
»Dann tut das. Ich behalte diese Übersicht hier, bis ich selbst eine bekomme, okay?«
Sigmund zuckte mit den Schultern.
»Ich will Åslis Adresse«, sagte Yngvar, »Und ich will mehr über diesen Fotografen erfahren. Und den Gynäkologen. Außerdem will ich …«
Er zog an seiner Zigarre und erhob sich. Als er die Tür hinter sich abschloß, klopfte er seinem Kollegen leicht auf die Schulter.»Ich will soviel wie möglich über diese drei wissen«, sagte er. »Den Jugendbetreuer, den Fotografen und den Gynäkologen. Alter, Familienverhältnisse, Vorstrafen … alles. Und noch was …«
Sigmund Berli hatte die Hand schon auf der Klinke seiner Bürotür.
»Danke«, sagte Yngvar. »Vielen Dank. Das war gute Arbeit.«
45
»Du kannst so gut mit ihr umgehen«, sagte Inger Johanne leise. »Sie mag dich. Normalerweise ignoriert sie andere Menschen. Wenn sie die nicht schon lange kennt, meine ich.«
»Sie ist wirklich ein seltsames Kind«, sagte Yngvar und deckte Kristiane, Sulamit und den König von Amerika zu.
Inger Johanne erstarrte. Er fügte hinzu:
»Ein seltsames und irgendwie wunderbares Kind. Sie ist ungeheuer clever.«
»Das ist meistens nicht das erste, was über sie gesagt wird. Aber du hast recht. Für ihre Verhältnisse ist sie clever und schnell. Nur merkt man das nicht immer sofort.«
Yngvar trug jetzt ihr Hemd. New England Patriots, blau, mit einer großen 82 vorn und dem weißen Schriftzug VIK oben auf dem Rücken. Er war direkt von der Arbeit gekommen. Als er fragte, ob er bei ihr duschen dürfe, hatte er sie nicht angesehen. Sie hatte ihm wortlos ein Handtuch geholt. Und das Footballhemd, das zu groß für sie war. Er hielt es hoch und lachte.
»Warren meint, ich hätte das Zeug zu einem guten Spieler«, sagte er.
»Warren meint soviel«, sagte Inger Johanne und stellte die Teller auf den Tisch. »In fünfzehn Minuten gibt es Essen. Du solltest dich also ein bißchen beeilen.«Der Auszug war verschmutzt und bedeckt von unleserlichen Kritzeleien. Trotzdem konnte sie den Inhalt der Tabelle problemlos entziffern. Er saß neben ihr auf dem Sofa und beugte sich über den Bogen, der auf ihrem Knie lag, dem Knie, das Yngvar am nächsten war und ab und zu seinen Oberschenkel streifte. Sie hielten dampfende Tassen in den Händen.
»Findest du etwas Interessantes?« fragte er.
»Nicht viel. Abgesehen davon, daß ich dir darin zustimme, daß die Krankenschwester wohl kaum in Frage kommt.«
»Weil sie eine Frau ist?«
»Vielleicht. Ja. Ebenso der Klempner. Abgesehen von …«
Ein kalter Schauer lief ihren Rücken entlang, und sie legte eine Hand in den Nacken. Der Klempner wohnte in Lillestrøm.
Reiß dich zusammen, dachte sie. Das ist natürlich reiner Zufall. In Lillestrøm wohnen sehr viele Menschen. Das liegt ganz in der Nähe von Oslo. Dieser Klempner hat nichts mit Aksel Seiers Fall zu tun. Reiß dich zusammen!
» Was ist los?« fragte er.
»Nichts«, murmelte
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