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In kalter Absicht

In kalter Absicht

Titel: In kalter Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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geleckt.
    »Das mußt du doch sehen!« sagte Yngvar und schüttelte den Kopf. »Hier stimmt nichts. Nimm doch zum Beispiel die Art, wie Sarah von einem Kurierdienst abgeliefert werden sollte. Hätte Laffen das geschafft? Hätte ein Mann mit einem IQ von einundachtzig sich so etwas ausdenken können? Ganz zu schweigen von der Durchführung!«
    Er schlug mit der Faust auf Laffen Sørnes’ Dossiers vom Sozialamt und dem Krankenhaus Bærum, wo er zur Beobachtung einer möglichen Epilepsie eingewiesen worden war.
    »Ich bin dem Typen begegnet, Sigmund! Der ist ein armer Teufel, der seit Erreichen der Geschlechtsreife nur gewichst hat. Autos und Sex. Das ist Laffen Sørnes’ Leben. Traurig, aber wahr!«
    Sigmund Berli saugte an seinen Zähnen.
    »Wir haben uns doch nicht total darin verbissen. Jetzt hör endlich auf. Das hier muß von allen Seiten untersucht werden. Aber du mußt mir doch zustimmen, daß wir diesen Kerl stoppen müssen, er hat schließlich versucht …«
    Yngvar hob die Hände und nickte heftig.
    »Auf jeden Fall«, fiel er dem Kollegen ins Wort. »Auf jeden Fall muß der Mann gestoppt werden.«
    »Außerdem«, fügte Sigmund hinzu. »Wie erklärst du die Tatsache, daß er über den Zettel Bescheid wußte? Über die Mitteilung Du hast bekommen, was du verdienst? Wir haben den Zettel untersucht, und du hattest recht. Es ist nicht dieselbe Sorte Papier wie bei den anderen. Aber im Grunde muß das nichts bedeuten. Auch die anderen Zettel stammten doch von unterschiedlichen Papierchargen, wie du weißt. Und …«
    Er wurde lauter, um nicht wieder unterbrochen zu werden.
    »… Laffens Zettel war ein Computerausdruck. Die anderen per Hand geschrieben. Aber woher hat er davon gewußt? Woher in aller Welt konnte er von diesem grotesken Detail wissen, wenn er nichts mit dem Fall zu tun hat?«
    Inzwischen war es Nachmittag am Donnerstag, dem 1.   Juni. Der Hausmeister hatte die Zentralheizung offenbar für den Sommer abgestellt. Draußen prasselte der Regen. Es war kühl, fast kalt im Zimmer. Yngvar zog sehr langsam eine Zigarre aus einer Stahlhülse. Ebenso langsam fischte er einen Zigarrenschneider aus seiner Brusttasche.
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte er. »Aber inzwischen wissen ja allerlei Leute davon. Viele von uns. Einige Ärzte. Die Eltern. Auch wenn wir sie um Stillschweigen gebeten haben, wäre es doch nicht verwunderlich, wenn sie zumindest ihrer nächsten Umgebung davon erzählt hätten. Alles in allem wissen inzwischen an die hundert Menschen davon.«
    Darunter auch Inger Johanne, dachte er. Er steckte sich die Zigarre an.
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte er noch einmal und ließ eine Rauchwolke zur Decke aufsteigen.
    »Kann er …«
    Wieder saugte Sigmund an seinen Zähnen. Yngvar hielt ihm eine Schachtel Zahnstocher hin.
    »Könnten wir es vielleicht mit zwei Tätern zu tun haben«, fragte Sigmund Berli. »Könnte Laffen eine Art … Handlanger für einen anderen sein, einen, der mehr Grips hat als er? Nein, danke.«
    Er hob angesichts der Zahnstocher abwehrend die Hand.
    »Nicht unvorstellbar, natürlich«, gab Yngvar zu. »Aber ich glaube es nicht. Ich habe so eine Ahnung, daß der wirkliche Verbrecher, der eigentliche Kindsmörder, den wir suchen, ein Mann ist, der allein handelt. Allein gegen den Rest der Welt, sozusagen. Aber die Kombination wäre nichts Neues. Cleverer Mann mit dummem Helfer, meine ich. Bekanntes Konzept.«
    »Es ist eigentlich unbegreiflich, daß Laffen sich noch immer auf freiem Fuß befindet. Sein Wagen wurde hinten in Maridalen bei Skar gefunden. Von dort ist kein Autodiebstahl gemeldet worden, und wenn er keinen Fluchtwagen bereitstehen hatte, dann …«
    »Er hat sich im Wald verkrochen.«
    »Aber um diese Jahreszeit in Nordmarka … da wimmelt es doch nur so von Leuten!«
    »Er kann sich tagsüber ruhig verhalten und sich nachts fortbewegen. Im Wald kann er sich auf jeden Fall besser verstecken als in dichtbesiedelten Gegenden. Und er ist ja passend gekleidet, um das mal so zu sagen. Wenn er sich seit unserer letzten Begegnung nicht umgezogen hat …«
    Vorsichtig klopfte er sich Asche in die hohle Hand.
    »… dann kann er da draußen einen Guerillakrieg führen. Wie viele Hinweise sind eigentlich eingegangen?«
    Sigmund grinste.
    »Über dreihundert. Aus Trondheim und Bergen, aus Sykkylven und Voss. Allein hier in Oslo ist er über fünfzigmal gesehen worden. Auf der Polizeiwache Grønland sind heute morgen vier Leute mit gebrochenen Armen abgeliefert

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