In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05
Hunderttausende von Dollar in Form von Wahlkampfspenden ein. Vielleicht sogar Millionen. Und die Gesetzeslage ist so, dass man unverbrauchte Spenden nicht zurückzahlen muss. Man darf sie einfach für alle möglichen zukünftigen Ausgaben behalten. Praktisch heißt das, dass diese Leute ihre Bestechungsgelder im Voraus kassieren. Die Anwaltsfirmen, die Ölgesellschaften und alle, die spezielle Interessen verfolgen, zahlen jetzt für zukünftige Unterstützung. In Texas kann man als Kandidat fürs Richteramt richtig reich werden. Und wird man gewählt und macht in der Zeit seiner Amtszeit aus der Sicht der Leute alles richtig, wird man nach dem Ausscheiden sofort Partner in einer großen Anwaltsfirma und in den Aufsichtsrat mehrerer Konzerne gewählt. Es geht also nicht wirklich um den Versuch, zum Richter gewählt zu werden. Diese Leute versuchen, sich zu einem Prinzen wählen zu lassen. Sie wollen über Nacht Mitglied einer königlichen Familie werden.«
»Wird Walker es schaffen, das System zu verändern?«, wiederholte er.
»Das kann er, wenn er’s wirklich will. So einfach ist das. Und im Augenblick kann er Carmen Greer entscheidend helfen oder schaden. Darauf müssen wir uns konzentrieren.«
Er nickte. Sie fuhr langsamer, als suche sie eine Abzweigung. Um sie herum breitete sich Ranchland aus. Sie waren irgendwo in der Nähe von Brewers Ranch, vermutete er, obwohl er keine spezifischen Landschaftsmerkmale wieder erkannte.
»Stört es Sie nicht, dass sie Ihnen all diese Lügen aufgetischt hat?«, fragte Alice.
Er zuckte mit den Schultern. »Ja und nein. Natürlich mag es niemand, belogen zu werden. Aber Sie müssen die Sache aus ihrem Blickwinkel betrachten. Sie war zu dem Schluss gelangt, er müsse beseitigt werden, also hat sie sich darangemacht, zielgerichtet vorzugehen.«
»Es hat also umfangreiche Vorbereitungen gegeben?«
»Darf ich darüber überhaupt mit Ihnen reden?«
»Ich stehe auf ihrer Seite.«
Er nickte. »Carmen hatte alles genau geplant. Sie hat mir erzählt, dass sie eine Menge Kerle begutachtet und mit Dutzenden gesprochen hat, bevor sie sich für mich entschied.«
Alice nickte ebenfalls. »Seit ich das weiß, ist mir irgendwie wohler, wissen Sie? Es beweist sozusagen, wie schlimm alles war. Das hätte bestimmt niemand getan, ohne einen dringenden Grund dafür zu haben.«
»Mir auch«, sagte er. »Mir geht’s ähnlich.«
Sie fuhr wieder langsamer und bog von der Straße auf eine Fahrspur ab. Nach ungefähr zehn Metern führte der Weg unter einem kläglich aussehenden Ranchtor hindurch. Es bestand nur aus einem leicht nach links geneigten Rechteck, das aus ungestrichenen Kanthölzern zusammengenagelt war. Am Querbalken stand ein Name. Er war unleserlich und verblichen. Dahinter lag eine etwa einen Hektar große kultivierte Fläche. Das Erdreich war in langen geraden Reihen aufgehäufelt
und konnte durch ein selbst gebautes System aus Pumpen und Schläuchen bewässert werden. An einigen Stellen türmten sich herausgeklaubte Steine zu großen Haufen. Zwischen sauber gearbeiteten Holzrahmen waren Drähte gespannt, um Pflanzen zu stützen, die nicht mehr wuchsen. Die ganzen Felder waren trocken und lagen brach.
Gleich hinter der letzten Pflanzenreihe stand ein kleines, niedriges Holzhaus in stumpfem Weiß mit einem Lacküberzug, der in der Sonne rissig geworden war. Dahinter ragte der Gittermast eines Windrades auf. Das zweite Gebäude der kleinen Farm war eine Scheune, aus deren Dach das Abgasrohr einer Bewässerungspumpe ragte. Davor stand ein beschädigter kleiner Lastwagen. Die Tür des Hauses war geschlossen. Alice parkte gleich davor.
»Sie heißen García«, sagte sie. »Ich bin sicher, dass sie zu Hause sind.«
Zwanzigtausend Dollar in einer Papiertüte hatten eine Wirkung, wie er sie noch nie erlebt hatte. Sie waren buchstäblich ein Leben spendendes Geschenk. In dem Haus lebten fünf Garcías, zwei ältere und drei jüngere. Fünf kleine, unterernährte Menschen. Die Eltern schienen Ende vierzig zu sein, ihre Tochter war schätzungsweise vierundzwanzig. Die beiden Jungen schätzte Reacher auf zwanzig und zweiundzwanzig. Sie alle drängten sich schweigend in dem kleinen Vorraum hinter der Haustür zusammen. Alice begrüßte sie fröhlich, ging an ihnen vorbei und kippte das Geld auf den Küchentisch.
»Er hat sich die Sache überlegt«, sagte sie auf Spanisch. »Und das Geld endlich doch rausgerückt.«
Die Garcías bildeten stumm einen Halbkreis um den Tisch und
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