In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05
Sie sie wie ihre Krankenakten in dem Kurierumschlag gelassen, um sie noch amtlicher aussehen zu lassen.«
Walker öffnete die Augen, starrte ihn trotzig an. »Ihre Krankenakten«, wiederholte er. »Sie haben sie selbst gesehen. Die Akten beweisen, dass sie gelogen hat. Sie haben gehört, wie Cowan Black das bestätigte.«
Reacher nickte. »Die Akten in dem FedEx-Umschlag zu lassen war ein guter Trick. So haben sie eilig ausgesehen, wie frisch ausgeliefert. Aber Sie hätten den Adressaufkleber abreißen müssen, weil FedEx-Sendungen nach Gewicht berechnet werden. Und ich habe die Sendung auf Alices Küchenwaage gewogen. Ein Pfund, eine Unze. Aber auf dem Aufkleber standen zwei Pfund und neun Unzen. Dafür gibt’s nur zwei mögliche Erklärungen: FedEx hat das Krankenhaus betrogen, indem es ein zu hohes Gewicht berechnet hat, oder Sie haben ungefähr sechzig Prozent des Inhalts herausgenommen und vernichtet. Und wissen Sie, was ich denke? Dass Sie den Inhalt kontrolliert haben, bevor Sie uns den Rest rüberschickten. Sie sind ein erfahrener Staatsanwalt, Sie haben viel Prozesserfahrung, Sie wissen genau, wie überzeugendes Beweismaterial
aussieht. Deshalb ist alles, was Misshandlungen bewiesen hätte, sofort in den Müll gewandert. Sie haben nur die echten Unfälle zurückbehalten, dabei aber nicht an Hautabschürfungen gedacht, deshalb ist der Schlüsselbeinbruch versehentlich dringeblieben. Oder Sie glaubten, ihn nicht weglassen zu können, weil die Knochenverdickung so deutlich sichtbar ist, dass sie uns hätte auffallen müssen.«
Walker schwieg.
»Der gebrochene Arm, der Kieferbruch, die Zähne«, fuhr Reacher fort. »Ich vermute, dass fünf oder sechs weitere Krankengeschichten in irgendeinem Abfalleimer gelandet sind. Wahrscheinlich nicht hinter dem Gerichtsgebäude. Auch nicht hinter Ihrem Haus. Dafür halte ich Sie für zu clever. Aber vielleicht liegen sie in einem Papierkorb am Busbahnhof. An irgendeinem öffentlich zugänglichen Ort.«
Walker sagte nichts. Das Kerzenlicht flackerte. Reacher lächelte.
»Aber insgesamt waren Sie sehr gut«, sagte er. »Als ich festgestellt habe, dass Carmen nicht geschossen hatte, haben Sie die Sache sofort in eine Verschwörung mit Carmen als Hauptbeteiligter umgebogen. Das war geistesgegenwärtig. Selbst als ich die Verbindung zu Eugene hergestellt habe, sind Sie auf Kurs geblieben. Sie waren sichtlich schockiert. Aber nicht etwa, weil Al tot war, sondern weil seine Leiche so früh gefunden worden war. Damit hatten Sie nicht gerechnet. Trotzdem haben Sie nur zehn Sekunden gebraucht, um die Finanzbehörde ins Spiel zu bringen. Aber wissen Sie was? Sie haben so angestrengt nachgedacht, dass Sie vergessen haben, ängstlich genug zu wirken. Wegen der Möglichkeit, das dritte Opfer zu werden. Das war eine konkrete Bedrohung. Sie hätten viel besorgter sein müssen – eine normale Reaktion.«
Walker schwieg weiter.
»Massenhaft Fehler, Hack«, sagte Reacher. »Auch, dass Sie diese Leute auf mich gehetzt haben. Wie der alte Kopernikus
sagt: Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass sie gut genug sein würden?«
Bobby lehnte sich vor, sah an seiner Mutter vorbei, starrte Walker ins Gesicht. Schien allmählich zu begreifen.
»Du hast Leute hergeschickt, damit sie meinen Bruder ermorden?«, flüsterte er.
»Nein«, antwortete Walker. »Reacher hat Unrecht.«
Bobby starrte ihn an, als habe Walker seine Frage bejaht. »Aber weshalb?«, fragte er. »Ihr wart doch Freunde.«
Walker hob den Kopf, sah zu Reacher. »Ja, weshalb hätte ich das tun sollen?«, fragte er. »Welches Motiv hätte ich haben können?«
»Ein Motiv, über das Benjamin Franklin etwas geschrieben hat«, entgegnete Reacher.
»Was zum Teufel soll das heißen?«
»Sie wollten unbedingt Richter werden. Aber nicht, um Gutes bewirken zu können. Das war alles heuchlerisches Gerede. Nein, Sie waren auf die Privilegien scharf. Sie stammen aus einer armen Familie und haben nach Geld und Macht gegiert. Und jetzt lag beides in Reichweite. Aber zuerst mussten Sie gewählt werden. Und was hindert Leute daran, gewählt zu werden?«
Walker zuckte mit den Schultern.
»Unter anderem alte Skandale«, stellte Reacher fest. »Geheimnisse, die einen aus der Vergangenheit heimsuchen. Sloop und Al und Sie waren in Ihrer Jugend unzertrennlich. Haben gemeinsam alles Mögliche angestellt. Drei Jungs gegen den Rest der Welt. Das haben Sie mir selbst erzählt. Und dann sitzt Sloop im Gefängnis, weil er Steuern hinterzogen
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