Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05

Titel: In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
die Entfernung ab. Ungefähr fünfundvierzig Meilen.
    Möglich.
    »Was gibt’s dort zu sehen?«, fragte er.
    »Ein altes Fort«, sagte sie. »Steht unter Denkmalschutz. Die Buffalo Soldiers waren dort stationiert. Die Konföderierten hatten das Fort geschleift. Die Buffaloes haben es wieder aufgebaut. Das war 1867, glaube ich.«
    Reacher studierte nochmals die Karte. Die Ruine lag südöstlich von Pecos und war über die Route 285 zu erreichen, die wie eine ordentliche Straße aussah. Wahrscheinlich eine schnelle, eine für Texas typische Straße. Er schloss die Augen. Alice raste weiter. Der Crown Vic war angenehm leise, sein Inneres kühl und behaglich. Er hätte am liebsten geschlafen, so müde war er.
    »Mir gefällt das Gebiet um Old Fort Stockton«, sagte er.

    »Glauben Sie, dass sie dort waren?«
    Er schwieg eine Weile.
    »Nicht dort«, sagte er. »Aber in der Nähe. Stellen Sie sich die Sache aus deren Sicht vor.«
    »Das kann ich nicht«, sagte sie. »Ich bin nicht wie sie.«
    »Sie müssen versuchen, sich in sie hineinzuversetzen«, sagte er. »Was waren sie?«
    »Keine Ahnung.«
    »Profis. Ruhig und unauffällig. Wie Chamäleons. Instinktiv auf gute Tarnung bedacht. Gut darin, nicht aufzufallen. Versetzen Sie sich in ihre Situation, Alice.«
    »Das kann ich nicht«, wiederholte sie.
    »Sie müssen wie sie denken. Ihre Fantasie gebrauchen. Wer waren sie? Ich hab sie für Reisevertreter gehalten, Rusty Greer für Sozialarbeiter und Al Eugene wahrscheinlich für FBI-Agenten. Sie müssen also wie sie denken. In ihre Rolle schlüpfen. Ihre Stärke ist, dass sie sehr normal und gewöhnlich aussehen. Sie sind Weiße und fahren diesen Crown Victoria, der ohne die vielen Funkantennen den Eindruck einer normalen Familienlimousine macht. Der FBI-Trick war nützlich, aber im Prinzip sehen sie harmlos genug aus, dass Al Eugene keine Bedenken hatte, auf ihr Zeichen hin anzuhalten, aber zugleich irgendwie autoritär genug, dass er’s tun musste. Dass er anhalten wollte. Sie wirken also durchschnittlich, aber auch anständig und glaubwürdig. Und geschäftsmäßig.«
    »Okay.«
    »Aber jetzt haben sie ein kleines Mädchen bei sich. Was sind sie nun?«
    »Was?«
    »Eine normale, gewöhnliche, ehrbare, glaubwürdige Mittelstandsfamilie.«
    »Aber sie waren zu dritt.«
    Er schwieg einen Moment, hielt die Augen geschlossen. »Einer der Männer war ein Onkel«, sagte er. »Sie sind eine
Mittelstandsfamilie, die mit ihrer Limousine auf Urlaubsreise ist. Aber sie sind keine laute Familie vom Disneyland-Typ. Sie mögen keine Shorts und grellbunten T-Shirts. Sie wirken ruhig, sogar ein bisschen ernst. Möglicherweise etwas spießig. Oder sogar bildungsbeflissen. Vielleicht sehen sie wie die Familie eines Schulrektors aus oder die eines Buchhalters. Sie stammen offenbar aus einem anderen Bundesstaat, also sind sie auf Reisen. Wohin? Stellen Sie sich dieselben Fragen, die sie sich stellen mussten. Wo fallen wir am wenigsten auf? Wo sind wir hier am sichersten? Wohin würde eine Mittelstandsfamilie mit ihrer sechseinhalbjährigen Tochter fahren? Wo liegt ein interessanter Ort, den sie mit ihr besichtigen könnten? Auch wenn sie noch viel zu klein ist und sich nichts daraus macht. Auch wenn die Leute hinter ihrem Rücken darüber lächeln, wie politisch korrekt und bildungsbeflissen sie sind.«
    »Old Fort Stockton«, antwortete Alice.
    »Genau. Sie zeigen dem Kind die ruhmreiche Geschichte der afroamerikanischen Soldaten, obwohl sie einen Herzanfall bekommen würden, wenn die Kleine später als Teenager mit einem solchen ausgehen würde. Und sie fahren einen Ford, keinen BMW oder Cadillac. Sie sind vernünftig. Was im Prinzip heißt, dass sie nicht reich sind. Sie gehen mit ihrem Geld sorgfältig um. Sie achten auf ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis. Das gilt für Motels ebenso wie für Autos. Deshalb quartieren sie sich von Norden kommend in einem Motel ein, das weit genug außerhalb liegt, um vernünftige Preise zu haben. Nicht in einer Bruchbude irgendwo in der Wildnis, sondern am äußersten Rand des Touristengebiets um Fort Stockton.«
    Er öffnete die Augen. »Dort würden sie sich einquartieren, Alice«, beendete er seine Ausführungen.
    »Meinen Sie?«
    Er nickte. »In einem Motel, in dem man viele ernsthafte, aufstrebende, nicht reiche Mittelstandsfamilien antrifft. Ein
Motel, in das sie genau hineinpassen. Ein Motel mit Gästen wie sie. Ein Motel, in dem niemand sich länger als eine Sekunde an sie erinnert.

Weitere Kostenlose Bücher