In letzter Sekunde - Child, L: In letzter Sekunde - Echo Burning/ Reacher 05
versorg sie, wenn ich zurückkomme.«
Reacher nickte und ging davon. Er hörte hinter sich Lederzeug knarren und vermutete, dass Bobby sich in den Sattel schwang. Aber er sah sich nicht um. Er ging einfach über den
Hof weiter, am Stall und an den Koppeln vorbei, um die Ecke des Unterkunftsgebäudes und zur Treppe. Er wollte nur hinaufgehen und sich lange unter die Dusche stellen, um den schrecklichen Pferdegeruch loszuwerden. Als er jedoch oben ankam, sah er Carmen mit einem kleinen Stapel zusammengelegter Bettwäsche auf den Knien auf seinem Bett sitzen. Sie trug noch immer ihr Baumwollkleid, und die Bettwäsche leuchtete weiß auf der nackten Haut ihrer Beine.
»Ich habe Ihnen die Bettwäsche gebracht«, sagte sie. »Aus dem Wäscheschrank im Waschraum. Ich wusste nicht, ob Sie sie allein finden würden.«
Er blieb an der Tür stehen – mit einem Fuß im Raum, mit dem anderen noch auf der obersten Stufe.
»Carmen, diese Sache ist verrückt«, sagte er. »Sie sollten die Ranch sofort verlassen. Die Greers werden merken, dass ich ein Schwindler bin. Ich kann mich wahrscheinlich keine drei Tage halten und bin am Montag schon weg.«
»Ich habe nachgedacht«, sagte sie. »Während des gesamten Abendessens.«
»Worüber?«
»Über Al Eugene. Was ist, wenn sein Verschwinden mit den Leuten zusammenhängt, die Sloop ans Messer liefern will? Wenn sie endlich aufgewacht sind und sich zu handeln entschlossen haben? Wenn sie sich Al geschnappt haben, um den Deal platzen zu lassen?«
»Ausgeschlossen. Warum hätten sie bis jetzt warten sollen? Das hätten sie schon vor einem Monat tun können.«
»Ja, aber nehmen wir mal an, alle würden denken, so sei’s gewesen.«
Er trat über die Schwelle in den Raum.
»Das verstehe ich nicht«, sagte er, obwohl er sehr gut wusste, was sie damit meinte.
»Nehmen wir mal an, Sie würden Sloop verschwinden lassen«, sagte sie. »Genau wie jemand Al hat verschwinden lassen.
Dann würden die Leute glauben, alles hinge irgendwie zusammen. Kein Mensch würde Sie verdächtigen. Auf Sie fiele nicht der geringste Verdacht.«
Reacher schüttelte den Kopf. »Das haben wir alles längst abgehakt, Carmen. Ich bin kein Berufskiller, der auf Bestellung mordet.«
Sie wurde still, sah auf die Bettwäsche hinab und begann, an einer Naht zu zupfen. Die Laken waren alt und verschlissen. Abgelegte Bettwäsche aus dem Haupthaus, vermutete Reacher. Vielleicht hatten Rusty und ihr verstorbener Mann zwischen diesen Laken geschlafen. Sloop und Carmen.
»Sie sollten die Ranch sofort verlassen«, sagte er wieder.
»Das kann ich nicht.«
»Sie sollten vorläufig irgendwo in Texas bleiben. Sich mit juristischen Mitteln zur Wehr setzen. Ich bin sicher, dass Sie das Sorgerecht zugesprochen bekämen.«
»Sie vergessen, dass ich kein Geld besitze. Ein Rechtsstreit könnte hunderttausend Dollar kosten.«
»Carmen, Sie müssen irgendwas tun.«
Sie nickte. »Ich weiß, was ich tun werde«, sagte sie bedrückt. »Ich lass mich verprügeln am Montagabend. Am Dienstagmorgen komme ich dann zu Ihnen, wo immer Sie auch sein mögen. Dann werden Sie selbst sehen, wie ich zugerichtet bin, und vielleicht Ihren Entschluss ändern.«
Er schwieg. Sie hob ihr Gesicht dem schwindenden Tageslicht entgegen, das durch die hohen Fenster hereinfiel.
»Kommen Sie näher«, forderte sie ihn auf. »Sehen Sie sich mein Gesicht an.«
Er trat näher an sie heran.
»Es wird grün und blau sein«, sagte sie. »Vielleicht ist die Nase gebrochen. Vielleicht sind die Lippen aufgeplatzt. Vielleicht fehlen ein paar Zähne.«
Er sagte nichts.
»Berühren Sie meine Haut«, sagte sie. »Fühlen Sie sie.«
Er legte den Rücken seines rechten Zeigefingers auf ihre Wange. Ihre Haut war weich und glatt wie Seide. Sein Finger fuhr den hohen Bogen ihres Wangenknochens nach.
»Merken Sie sich, wie sie sich anfühlt«, sagte sie. »Vergleichen Sie damit, was Sie am Dienstagmorgen fühlen werden. Vielleicht ändern Sie dann Ihre Meinung.«
Er nahm seinen Finger weg. Vielleicht würde er seine Meinung ändern. Damit rechnete sie – und davor hatte er Angst.
»Nehmen Sie mich in die Arme«, bat sie ihn. »Ich weiß gar nicht mehr, wie das ist, umarmt zu werden.«
Er setzte sich neben sie und umarmte sie. Sie legte ihre Arme um seine Taille und ließ den Kopf auf seine Brust sinken.
»Ich habe Angst«, sagte sie.
So verharrten sie ungefähr eine halbe Stunde lang. Reacher verlor jegliches Zeitgefühl. Sie atmete gleichmäßig, war
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