In letzter Sekunde
entgegennehmen. Aber wenn Sie Ihren Namen und Telefonnummer hinterlassen, rufen wir natürlich so bald wie möglich zurück."
Auch wenn sie nicht vorhatte, mit dem Anrufer zu sprechen, wollte sie doch hören, was er sagte.
„Wir? Na, komm schon, Evelyn, wem willst du etwas vormachen?" flüsterte die so schrecklich vertraute Stimme. Dann, nach einer kurzen Pause: „Wir beide wissen doch, du bist allein. Bestimmt sitzt du jetzt im Dunkeln und hast Angst vor deinem eigenen Schatten."
Ihr Herz hämmerte wie verrückt, dennoch nahm sie den Hörer ab und presste ihn ans Ohr.
„Wer ist dort?"
Ein leises Lachen erklang, gefolgt von einem Wispern. „Derjenige, der dafür sorgen wird, dass du für deine Missetaten bestraft wirst."
Und damit legte er auf.
Die Drogen waren zwar aus ihrem Körper heraus, aber ihr Mund war knochentrocken, und sie vermochte kaum zu denken. Der Kerl kannte ihre Privatnummer. Und wahrscheinlich wusste er auch, wo sie wohnte.
Auf keinen Fall würde sie abwarten, bis er sie wieder in die Finger bekam.
Lynn zerrte ihren Koffer aus dem Schrank und warf ihn aufs Bett. Dann öffnete sie die Schublade mit der Unterwäsche.
Da klingelte das Telefon wieder.
Sie erstarrte, blickte wie gebannt auf den Anrufbeantworter. Ihr Herz pochte so laut, das sie kaum ihre eigene Ansage hörte.
„Lynn, hier ist Detective Jacobek. Stella."
Lynn, die erwartet hatte, wieder das widerliche Flüstern zu hören, ging auf wackeligen Beinen zum Apparat. Sie nahm das Telefon schnell von der Station.
„Er hat angerufen", sagte sie nur.
„Wann?"
„Gerade eben." Sie klemmte sich das Gerät zwischen Kinn und Schulter und machte mit dem Packen weiter. „Ich kann hier nicht länger bleiben. Er wird ..."
„Tun Sie nichts Übereiltes."
„Übereiltes? Es war übereilt, ohne Schutz hierher zurückzukommen. Ich werde in ein Hotel ziehen ... oder vielleicht fliege ich mit dem nächsten Flugzeug irgendwohin." Sie eilte zum Schrank zurück, nahm ein paar Hosen und ihre Lieblingsjacke, ein Designerstück, heraus, und sagte: „Ich muss hier weg."
„Aber vielleicht müssen Sie gar nicht so weit fort", schlug ihr Stella vor. „Ich bekam gerade einen Anruf von ... nun, ich habe vielleicht eine Lösung für Ihr Problem. Geben Sie mir eine Stunde."
„Ich kann nicht..."
„Eine Stunde, Lynn, das ist alles, um was ich Sie bitte. Ich werde eine außerdienstliche private Lösung finden. Etwas Inoffizielles."
Lynn, die wusste, dass die Polizei von Chicago niemanden zum Schutz möglicher Gewaltopfer abstellte, runzelte die Stirn. „Warum tun Sie das für mich?"
„Weil Sie vor ein paar Monaten jemand geholfen haben, den ich seit meiner Kindheit sehr gut kenne. Einer dieser Fälle, in denen Sie eine Klientin ohne Honorar vertraten. Nun möchte ich Ihnen helfen. Und bewahren Sie das Band unbedingt auf. Vielleicht können unsere Leute vom Labor etwas damit anfangen."
Das leuchtete Lynn ein. „Gut. Ich gebe Ihnen eine Stunde", erwiderte sie und fragte sich dabei, wer wohl bei Stella angerufen hatte und wie die Lösung aussah. „Und das Band."
Vielleicht bekam sie jetzt etwas von dem zurück, was sie anderen Gutes getan hatte.
„Was machst du denn in dieser mondänen Bar?" rief eine vertraute Stimme über den Lärm der Musik hinweg.
Blade Stone blickte von dem Drink auf, den er gerade mixte. Eine junge Frau bahnte sich ihren Weg von der tiefer liegenden Tanzfläche des Club Undercover herauf zu den Barhockern. Das blaue Neonlicht hinter dem Tresen fiel ihr voll ins Gesicht. Sie strahlte ihn an, und obwohl er sie seit Jahren nicht gesehen hatte, erkannte er sie sofort.
„Star Jacobek, ist das eine Freude."
Sie zog die Augenbrauen hoch. „Jetzt trage ich meinen normalen Namen. Detective Star würde ein wenig ... komisch klingen, oder?"
„Dann bist du nun also Detective. Ich wusste schon immer, dass du durchziehst, was du dir einmal in den Kopf gesetzt hast."
Sie waren zusammen in derselben armen Gegend, in Chicagos South Side, aufgewachsen, hatten gemeinsame Freunde gehabt, gute und schlechte Zeiten miteinander geteilt. Später hatten sie dann sogar beruflich ähnliche Wege eingeschlagen. Sie war zur Polizei gegangen, er zum Militär.
Für ihn war das längst Vergangenheit, aber für sie anscheinend immer noch Realität.
„Also gut, dann Detective Stella Jacobek." Aber für ihn würde sie immer Star sein, ein Stern, das helle Licht, das ihn aus der Dunkelheitseiner Kindheit geführt hatte. Wie hatte er diese
Weitere Kostenlose Bücher