In letzter Sekunde
irgendeinem Grund hatte Lynn mehr Zutrauen zu Blade als zu irgendeinem anonymen Polizisten.
Wenig später parkten sie den Jeep und überquerten die Plaza, den weiten Platz vor dem Gericht, als sich ein Mann aus dem Schatten der gigantischen Picasso-Skulptur löste und auf sie zukam. Er hatte sich dort mit jemand unterhalten und anscheinend auf sie gewartet.
„Das ist Victor Churchill", murmelte sie. Blade legte sofort schützend den Arm um sie.
Als Churchill in Hörweite war, rief er laut: „Erstaunlich, dass Sie sich in die Öffentlichkeit trauen, Evelyn."
„Haben Sie ein Problem damit?" antwortete Lynn, und Blade drückte sie aufmunternd.
„Neues Spielzeug?" fragte Churchill abschätzig und deutete mit dem Kopf auf Blade.
„Schlechte Wahl. Der verschafft Ihnen bestimmt keinen Zutritt zum Yachtclub."
„Den bekomme ich auch so, wenn mir danach sein sollte!" meinte sie von oben herab.
Churchill lachte. „Sie würden es tun, nicht wahr? Nur um es dem Kerl, der es Ihnen gegeben hat, zu zeigen, stimmt's?"
„Wie bitte?"
„Ich meine den Typen, der Sie entführt hat. Er hat den Männern dieser Stadt einen Gefallen getan, indem er versuchte, Sie aus dem Verkehr zu ziehen. Wenn ich könnte, würde ich ihm die Hand schütteln, Evelyn. Und dann würde ich ihn fragen, warum er die Sache nicht zu Ende gebracht hat."
Lachend ging Churchill davon, Lynn stand da und blickte ihm fassungslos nach. Blade machte Anstalten, ihm zu folgen, aber sie hielt ihn am Arm zurück.
Sie wusste, sie durfte nicht voller Wut in den Gerichtssaal stürmen. Daher versuchte sie den Zwischenfall herunterzuspielen. „Und ich hatte Angst vor Wheeler ... Andererseits, Churchill ist sehr wahrscheinlich nur ein Großmaul. Ein Mann wie er macht sich nicht die Finger schmutzig."
„Er könnte jemanden dafür bezahlen", meinte Blade grimmig.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Es war etwas Persönliches. Der Kerl, der mich überfiel, hat auf eigene Rechnung gehandelt." Auch wenn sie sich nicht an viel erinnern konnte, die blanke Feindseligkeit hatte sie nicht vergessen.
Ohne Schwierigkeiten kamen sie am Sicherheitsdienst vorbei und fuhren mit dem Fahrstuhl zum Gerichtssaal hinauf.
Julie Wheeler wartete bereits im Gang, offenbar bedrängt von ihrem Noch-Ehemann. Mit hämmerndem Herzen marschierte Lynn direkt auf ihn zu.
„Das Gericht hatte verfügt, dass Sie sich von Ihrer Frau fern halten sollen, Mr. Wheeler", sagte sie kühl.
Er wirbelte herum und funkelte sie hasserfüllt an. „Sie wissen sicher, was Sie mit dieser Auflage machen können, oder?"
„Vielleicht sollten Sie das dem Richter erzählen und ihn um seine Meinung bitten ..."
„Schlampe!"
Mit geballten Fäusten ging Wheeler drohend auf Lynn zu. Ihr schlug das Herz in der Kehle. Aber noch bevor sie zurückweichen konnte, stellte sich Blade vor sie.
„Wer zum Teufel sind Sie?" knurrte Wheeler.
„Wenn Sie eine dieser Frauen anfassen, werden Sie sich wünschen, nie geboren worden zu sein."
„Ihr Name?" verlangte Wheeler.
„Blade. Sie sollten sich nicht mit mir anlegen."
„Wollen Sie mir drohen?"
„Muss man Ihnen drohen?" fragte Blade ruhig. „Wenn ja, kann ich durchaus detaillierter werden. Ich habe fast zehn Jahre in ..."
Lynn packte ihn am Arm und hielt ihn davon ab, weiterzureden. „Sollten Sie noch einmal gegen die Auflage des Gerichts verstoßen, lasse ich Sie in Haft nehmen!" fuhr sie Wheeler an.
Wutschnaubend starrte er sie an, aber anscheinend hielt ihn Blades Anwesenheit davon ab, eine konkrete Drohung auszustoßen. Sein Anwalt hastete mit besorgtem Ausdruck auf dem feisten Gesicht auf ihn zu.
„Danke, Evelyn", sagte Julie, als der Rechtsbeistand ihren Noch-Ehemann davonzog.
„Aber Sie sollten auf sich aufpassen. Roger hasst Sie, und es kommt bei ihm selten vor, dass er es so offen zeigt."
Angesichts seiner Position im Polizeidienst war es besonders Besorgnis erregend, wie wenig Wheeler auf gerichtliche Anordnungen gab. Und er hatte Verdächtige geschlagen und seiner Frau und den Kindern gedroht, mit ihnen ebenso zu verfahren. Damit hatte er sie jahrelang unterdrückt.
Aber war er deswegen gleich ein potenzieller Mörder? Ein Mann, der eine Frau entführte und sie mit Todesdrohungen quälte? Lynn wusste es nicht zu sagen.
Allerdings würde sie nicht zulassen, dass ihre Unentschlossenheit über Wheelers Schuld oder Unschuld ihren Auftritt vor Gericht beeinflusste.
Und am Schluss erreichte sie für Julie das, was diese sich ersehnt hatte. Roger
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