In Liebe, dein Mörder: Thriller (German Edition)
hatte er als Beamter im gehobenen Dienst ein Recht auf die beste Entziehungskur, die sich denken ließ, aber die derzeitige politische Situation hatte ein Bauernopfer verlangt, und Will beklagte sich nicht, denn er fühlte sich als das, was er vermutlich auch war:
Ein besoffener Mörder!
Der Fangschuss war nicht nötig gewesen. Er hätte im schlimmsten Fall seinen Gegner mit einer Kugel ins Bein lahmlegen können, aber Will hatte den Verstand verloren, seine Stressresistenz lag bloß, und in seinem Schädel sauste der Alkohol.
War er besser als ein Lkw-Fahrer, der sich während der Fahrt einen runterholte oder besser, als ein Mann, der geistig krank sein musste, um Menschen zu pfählen? Durfte er sich ein Urteil gegenüber Ice anmaßen, der kalt vor Hass war, oder der halbwüchsigen Eva einen Vorwurf machen, wenn sie sich an Leuten wie ihm rächen wollte?
Das alles schien Geschichte und kam nur deshalb noch einmal hoch, weil die Puzzleteile schön zusammen passten. Es waren knapp zwei Jahre vergangen, es gab keine Pfahlmorde mehr, und Will hatte privat manch anderen Fall gelöst und war gut im Geschäft. Er musste sich mit dem alten Scheiß nicht mehr abgeben. Und eigentlich auch nicht mehr mit Ice, der wie ein zahlender Freier seiner Kriminalnutte das Leben schwer gemacht hatte, da er nicht akzeptieren wollte, dass es vorbei war. Die Halbwertzeit war rum! Der Pfähler war Schnee von gestern!
Will trocknete die Tränen und ging zurück zu seinem Auto.
Es duftete nach getrocknetem Gras, Staub flog über die Felder, die Sonne stand tief, und Grillen zirpten in den Büschen. Es gab ein paar vereinzelte Fußgänger, die ihre Hunde ausführten, und dort schlenderte ein Paar, das eindeutig sehr verliebt war.
Veronika! Auch wir waren verliebt. Haben in dieser schönen Jahreszeit geheiratet. Wir freuten uns auf unsere kleine Tochter. Wir wollten das Haus kaufen und sesshaft werden. Wir wollten, wollten ... !
Und er hatte Rindsrouladen gewollt!
Er setzte sich ins Auto und gab Gas. In seinem Schädel pochte es, und sein Herz schlug schwer. Es schien alles Blut aus seinen Augen zu pressen, so hart gingen ihn die Kopfschmerzen an. Vor einer Gartenwirtschaft lenkte er ein und stieg aus.
Stimmen schwirrten.
Menschen lachten.
Gläser klirrten.
Es roch nach gebratenem Geflügel und Schnitzeln und Pommes und Bier.
Vögel zwitscherten, der Wind kühlte auf.
Kack der Bär drauf!, dachte Will. Er kniff die Augen zusammen und musterte ein schönes hohes Glas, in dem ein trübes Weißbier dümpelte. Er leckte sich die Lippen.
Kack der Bär drauf!, dachte er erneut und suchte sich einen freien Platz.
Los Angeles 2010
1
»Herr Doktor, haben Sie keine Angst, dass ich eines Tages in Ihre Praxis komme, Sie betäube und auf einen Pfahl setze? Sie besitzen durchaus den Verstand, den ich mir wünschte. Wenn jemand den einen ungesagten Satz erdenken könnte, wären Sie das.«
»Ja, davor fürchte ich mich, obwohl ich mich frage, wo sie den Pfahl haben.«
Vincent lachte herzhaft. »Sie sind ein wunderbarer ehrlicher Mann. Seien Sie gewiss, Sie haben nichts zu befürchten. Niemand hat etwas zu befürchten.«
»Warum pfählten Sie Ihre Opfer, Mr Padock? Es gibt unzählige andere Tötungsarten.«
»Mir geht es nicht um den Pfahl. Ich ergötze mich nicht an der Grausamkeit und der Qual, die die Gepfählten empfinden. Das wäre pervers. Es geht mir darum, dass das Opfer tot ist und doch noch lebt. Es muss wissen, dass es faktisch tot ist, denn nichts kann es retten. Es gibt den Spruch, die Hoffnung sterbe zuletzt. Das führe ich ad absurdum. Es geht mir um die Zeit, die jemand benötigt, um am Pfahl zu sterben. Die Kombination aus Schmerzen und Lebenszeit haben Sie nur, wenn das Opfer bei klarem Verstand beides realisiert. Ein Mensch am Pfahl lebt erheblich länger, als schneide man ihm ein Bein oder einen Arm ab. Wenn jemand aufgeschlitzt wird, tritt der Tod Minuten später ein. Sie als Mediziner müssten wissen, dass, wenn es geschickt gemacht wird, das Opfer durch einen Pfahl kaum Blut verliert, jedoch grausige Schmerzen empfindet. Da der Pfahl abgerundet ist, verletzt er keine lebenswichtigen Organe, sondern schiebt sich durch das Eigengewicht langsam durch den ganzen Körper. Deshalb bemühe ich mich stets, dass der Pfahl zur rechten Schulterseite austritt, um nicht versehentlich das Herz zu treffen. In der Frühzeit brachte man es fertig, Gepfählte bis zu vier Tagen am Leben zu erhalten. Mein Rekord liegt bei
Weitere Kostenlose Bücher