In Liebe, dein Mörder: Thriller (German Edition)
knapp drei Tagen.«
» Können Sie erklären, was es mit dem einen Satz auf sich hat?«
»Ich stehe auf dem Standpunkt, dass ein Mensch in einer Extremsituation zu immensen schöpferischen Taten fähig ist. Was denkt ein Mensch, der keine Hoffnung mehr hat? Denn selbst, wenn ihm jemand zu Hilfe käme, er wäre nicht zu retten. Ihn vom Pfahl zu nehmen, würde ihn sofort innerlich verbluten lassen. Also befrage ich das Opfer. Immer wieder. Ich suche jenen einen Satz, der noch ungesagt ist, der noch ungedacht ist. Es kann doch nicht sein, dass tatsächlich schon alles ausgesprochen wurde? Sind wir am Ende unserer Weisheit? Kauen moderne Philosophen nur noch wider? Verharren wir noch immer bei Kant, Schopenhauer oder Rousseau? Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? Wie ist es mit der Literatur? Wer hat in dieser schnelllebigen Zeit noch die Geduld, den einen großen Eröffnungssatz zu erdenken, wie zum Beispiel Melville es bei Moby Dick tat?«
»’Nennt mich Ishmael.’«
»Oder Dickens in der Geschichte zweier Städte.«
»’Es war die beste, es war die schlechteste aller Zeiten.’«
»Sie begreifen, was ich meine. Heute ist alles nur noch Fastfood. Niemand denkt, jeder folgt. Eine Herde Schafe.«
»Hatten Sie Erfolg?«
»Nein. Kein Satz. Kein Gedanke.«
»Vielleicht haben Sie sich die falschen Opfer ausgesucht.«
»Sehen Sie jemandem an, was er zu leisten vermag?«
»Was wollen Sie tun, wenn Sie geheilt sind? Sie sagten, Sie suchen den Anfangssatz für Ihre Biografie.«
»Ich vergesse meine Suche. Ich beende meine vierhundert oder fünfhundert Seiten und lasse sie veröffentlichen. Es lohnt sich nicht, Großes zu entwickeln. Fastfood, wie gesagt. E-Books, kaufen, löschen, schnell weiter. Billigbücher, hastig lesen und verramschen. Es ist wie mit der Vinylplatte und den Downloads. Nichts besitzt mehr einen Wert.«
»Sie sind ein Traditionalist.«
»Crazy, nicht wahr? Ich entwickele Fastfood und speise traditionell.«
»Wären Sie ein Fremder, würden Sie sich mögen?«
»Mögen Sie mich?«
»Nein, Mr Padock. Und das muss ich auch nicht.«
»Sondern?«
»Wie ich zu Beginn sagte: Ich fürchte Sie.«
2
»Wir haben gute Fortschritte gemacht, sehen Sie das auch so, Vince?«
»Mein Bedürfnis, einen Menschen zu töten, ist nicht mehr vorhanden.«
»Nun leben Sie seit fast drei Jahren in LA, wie gefällt es Ihnen hier?«
»Eine wunderbare Stadt. Schönes Wetter, nette Menschen.«
»Wunderbar, schön, nett. Aha.«
»Ja. Alles das.«
»Wunderbar, schön und nett.«
»Bitte verunsichern Sie mich nicht.«
»Kann ich das?«
»Positive Attribute, meinen Sie?«
»Es geht nicht darum, was ich meine.«
»Verdammt, Max. Ja, ich genieße die Sonne, das Meer und die Stadt.«
»Sie lächeln.«
»Das tue ich oft.«
»Nicht so wie jetzt. Ihre Augen funkeln.«
»Wie Sie sagten. Ich mache Fortschritte.«
»Haben Sie keine Angst, Sie könnten verhaftet werden, wenn Sie regelmäßig nach Deutschland jetten?«
»Warum sollte das geschehen? Gegen mich liegt nichts vor.«
»Sie kamen erst vor zwei Tagen zurück in die USA. Wie fühlen Sie sich in Ihrem Haus in Deutschland? Wie geht es Ihnen damit, dass sich im Keller ein Tötungsraum befindet?«
»Wenn ich in Deutschland bin, geht es um Geschäfte. Gespräche, Aufsichtsratssitzungen, Prüfungen neuer Produkte und so weiter. Da bleibt nicht viel Zeit, sich mit meiner Villa zu beschäftigen. Die meiste Zeit verbringe ich im Adlon-Kempinski in Berlin City.«
»Was halten Ihre Geschäftspartner davon, dass Sie regelmäßig das Land verlassen?«
»Sie akzeptieren es. Was bleibt ihnen anderes übrig? Es ist meine Firma. Ich halte die Mehrheit.«
»Warum haben Sie die Frau, Lisa, getötet? Das wäre nicht nötig gewesen. Sie war betrunken, wie Sie sagten. Es hätte genügt, sie zu beruhigen oder schlimmstenfalls niederzuschlagen. Am nächsten Tag hätte sie sich vielleicht an vieles nicht mehr erinnert.«
»Immer wieder stellen Sie mir diese Frage.«
»Noch nie haben Sie diese Frage für Sie zufriedenstellend beantwortet.«
»Ich habe sie geliebt.«
»Ich weiß.«
»Ich kann sie nicht vergessen.«
»Auch das weiß ich, Vince.«
»Also? Warum wechseln wir das Thema nicht?«
»Warum warfen Sie die Frau, die Sie liebten, in die Tiefe? Das war nicht rational. Nicht so, wie es Ihnen geziemt. Oder etwa doch? Handeln Sie vielleicht doch weniger verstandesmäßig, als Sie glauben?«
»Das mag sein. In diesem
Weitere Kostenlose Bücher