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In Liebe, Rachel

In Liebe, Rachel

Titel: In Liebe, Rachel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Higgins
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Geschirrhandtuch vom Griff der Kühlschranktür und legte es sich über die Schulter. »Okay, darüber müssen wir zuerst sprechen. Dass Sie Gracie heute einfach mit zu sich nehmen wollen.«
    Jessie stand auf. »Jo …«
    »Mrs Braun – bei allem Respekt –, das werde ich nicht zulassen. Die Empfehlung Ihres Anwalts ist mir ziemlich egal. Das Allerletzte, was Grace jetzt braucht, ist, schon wieder aus einem Zuhause herausgerissen zu werden.«
    Die Erinnerung traf Jo mit voller Wucht, die Erinnerung an ihre erste Pflegemutter.
Wir können sie nicht länger behalten. Sie verträgt sich mit keinem der anderen Kinder. Sie macht, was sie will, und lacht mich aus, wenn ich mit ihr darüber spreche. Sie antwortet mir nicht einmal.
    Jo wandte Jessie und Mrs Braun den Rücken zu, versuchte, ihren Zorn im Zaum zu halten, denn der hätte im Moment niemandem geholfen, am wenigsten Grace. Jo starrte aufgebracht auf den in die Fliesen eingelassenen Spiegel mit der Einfassung aus grün glasierten Kacheln, die der Designer ausgesucht hatte, um den Salbeifarbton in der Granitarbeitsplatte zu betonen. Sie presste ihre Handflächen so stark auf die Arbeitsplatte, dass sie zu pochen begannen, während die schmerzlichen Worte in ihrem Kopf erklangen.
    Sie müssen sie mitnehmen. Heute noch.
    »Ich verstehe das nicht.« Mrs Braun klang verwirrt. »Jessie, du hast mir doch gesagt, dass Jo zustimmen würde, dass es eine Erleichterung für sie wäre, dass sie mit der Vormundschaft sowieso nicht gerechnet hatte. Ich dachte, es wäre alles geklärt.«
    »Tante Leah, erinnerst du dich denn nicht? Wir haben doch im Auto darüber gesprochen! Ich habe vorgeschlagen, dass wir noch eine Woche warten.«
    »Warum noch eine Woche warten? Eine Woche ist für ein Kind eine Ewigkeit. Gracie sollte so schnell wie möglich wieder bei ihrer Familie sein.«
    Jo schloss die Augen. Bilder von ihren Pflegeeltern zogen an ihr vorbei, ein Rollbett nach dem anderen, eine abgekämpfte, wohlmeinende Pflegemutter nach der anderen, eine Schule nach der anderen. Jo hatte sich immer wie der Köter im Hundezwinger gefühlt, der von einer Pflegestelle zur nächsten geschickt wurde, weil niemand den Hund eines anderen wirklich haben wollte.
    »Ich stimme Ihnen zu«, sagte Jo plötzlich und überraschte sich damit selbst. »Grace sollte bei ihrer Familie sein.« Sie drehte sich zu den anderen beiden Frauen um. Mrs Braun drückte ihren Teebeutel mit Hilfe des Löffels aus und legte ihn auf die Untertasse. Jessie sah blass und angespannt aus. »Ich stimme zu«, wiederholte Jo, »dass das in einer perfekten Welt die beste Lösung wäre.«
    »Ich wusste doch, dass Sie es einsehen würden, Jo«, sagte Mrs Braun und legte klappernd den Löffel auf die Arbeitsplatte. »Ich bin froh, dass wir das geklärt haben.«
    »Aber Sie müssen stark und gesund genug sein, um sich um sie kümmern zu können. Ich meine, um sich
wirklich
um sie zu kümmern, sie zu Sportveranstaltungen zu kutschieren, sie mit zur County Fair zu nehmen, ihr bei den Hausaufgaben zu helfen, mit ihr Kleider kaufen zu gehen.«
    »Jessie kennt sich mit Kleidern aus«, sagte Mrs Braun über ihre Teetasse hinweg. »Sie hat immer versucht, Grace in Kleider zu stecken. Ich weiß nicht, wie Sie das geschafft haben, Jo …«
    »Ich spreche nicht von ein paar Wochen oder ein paar Monaten«, fuhr Jo unbeirrt fort, »sondern von vielen Jahren. Es ist Grace gegenüber nicht fair, sie jetzt mitzunehmen, um sie später wieder fortzuschicken, weil Sie einsehen müssen, dass Sie überfordert sind.«
    »Wir schaffen das schon.« Mrs Braun winkte ab. »Wir haben es immer geschafft, nicht wahr, Jessie?«
    Jo sah den Ausdruck auf Jessies Gesicht, bevor diese den Blick senken und ihre Gedanken verbergen konnte. Offensichtlich erkannte Mrs Braun nicht, welche Last sie dem zerbrechlichen zweiundzwanzigjährigen Mädchen aufbürdete. Mrs Braun hatte, ebenso wie Grace, die wahren Ausmaße der Veränderungen in ihrem Leben, die Rachels Tod mit sich brachten, noch gar nicht erfasst.
    Das machte alles so schwierig. Umstellungen waren unvermeidlich, wenn eine Mutter – oder eine Tochter – starb. Manchmal dauert es ein ganzes Leben, mit dem Verlust fertig zu werden, und der Prozess, die Veränderungen zu akzeptieren, war ein langer schmerzhafter Weg, den die Hinterbliebenen zurücklegen mussten.
    »Stabilität für Grace ist für mich das Ausschlaggebende, Mrs Braun«, sagte Jo vorsichtig und schwenkte den Tee in ihrer Tasse. »Ich

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