In Liebe, Rachel
in allen Regenbogenfarben schillernden Volkswagen Käfer, der am Rand der Rollbahn hinter einem hohen Zaun, der von Stacheldraht gekrönt war, parkte. Hinter dem Zaun stand eine dicke Eiche, durch deren dicht wachsende Zweige sie das Auto ihres unwissenden Ehemannes erkannte.
Er war gekommen!
Wie sie ihn gebeten hatte – sie hatte ihn mit der Aussicht auf ein mittägliches Schäferstündchen auf dem Parkplatz eines verlassenen Flughafens gelockt –, doch hatte sie ihm eine winzige Kleinigkeit verschwiegen: dass sie selbst mit dem Fallschirm kommen würde.
Sie riss am rechten Griff, zog ihn nach unten und über ihre Brust. Die anderen zwei Flugschüler, die schon am Boden standen, sprangen zur Seite und winkten ihr zu. Ihre Fallschirme bauschten sich zu ihren Füßen. Kate hielt den Blick auf das Stück Metall zwischen den Zweigen gerichtet. Als sie zur Erde schwebte, verschwand der Baum aus ihrem Sichtfeld. Dann sah sie Paul, seine schlaksige Figur gegen die Motorhaube gelehnt.
Ihr wurde warm ums Herz. Auf diesen Moment hatte sie gewartet, seit sie zum ersten Mal gesprungen war. Natürlich war sie ein wenig nervös, wusste nicht, wie er bei dem Anblick, seine Frau aus dem Himmel fallen zu sehen, reagieren würde. Doch sie rief sich in Erinnerung, dass sie beide schließlich einmal Abenteurer gewesen waren. Nach dem College waren sie mit dem Rucksack durch Europa gereist, hatten in Absteigen übernachtet und bei der Weinlese gearbeitet, um die Reise verlängern zu können. Einmal hatten sie sich beim Wandern in den Adirondack Mountains drei volle Tage lang verirrt. In den Flitterwochen waren sie auf den Killerwellen am O’ahu Makapu’u Strand gesurft. Sobald Paul die Überraschung überwunden hatte, wäre er sicher begeistert, sie herabschweben zu sehen.
Doch jetzt durfte sie nicht an ihn denken, sie musste sich auf die Landung konzentrieren. Der Erdboden kam immer näher, die Umgebung raste an ihr vorbei. Einer ihrer Lehrer winkte und signalisierte ihr, den linken Griff zu ziehen.
Ziehen!
Der Landekreis unter ihr war nun riesig. Sie konnte ein braves Mädchen sein und dort landen. Dies war ihr erster Freifall. Es war viel zu früh, auf eigene Faust etwas zu unternehmen. Man würde sie danach beurteilen, wie gut sie landete.
Doch das Teufelchen auf ihrer Schulter siegte.
Sie scherte bei der letzten Kurve nach links aus und streckte ihren Arm. Einer der Lehrer rief etwas, das sie ignorierte. Das gelbe Zielfeld unter ihren Füßen schwebte vorbei.
Der glatte Asphalt unter ihr mündete in ein altes Straßenpflaster, das aufgerissen und von Wurzeln durchzogen war, und immer noch schwebte sie, getragen vom Wind. Schließlich befand sich unter ihr nur noch ein Schotterweg. Sie berührte den Boden und hinterließ mit ihren Füßen zwei tiefe Spurrinnen, bis sie in einer Spalte hängen blieb und stolperte. Sie fing sich rasch wieder und stolperte erneut, als der Fallschirm sie von hinten überwältigte und sich keine zwanzig Meter entfernt von ihrem Ehemann aufrollte.
Hinter dem hohen Maschendrahtzaun lächelte Paul träge und applaudierte. Kate suchte in seinem Gesicht nach einem Zeichen des Erkennens. Seine Gesichtszüge erstarrten für einen Moment, doch das war nicht das Zeichen des Wiedererkennens. Dieser Ausdruck deutete bei ihm auf eine plötzliche Idee hin, die auch beim Abendessen über ihn kommen konnte, wenn er gerade dabei war, sich einen Löffel mit Erbsen in den Mund zu schieben. Wahrscheinlich würde er sich später in seinem Büro daheim vergraben und daran tüfteln, wie er einen sich aufblähenden Fallschirm so realistisch wie möglich in seinem nächsten Computerspiel simulieren konnte.
Bubba und Keifer kamen von der Landezone her angerannt.
»Es geht mir gut, alles in Ordnung!« Kate wischte sich mit den Händen den Sprunganzug ab und hakte das Gurtzeug mit dem Fallschirm los. Dann zog sie den Helm vom Kopf. Ihr Haar wehte im Wind. Ganz wie Lola Lipstick, die schwertschwingende Heldin mit der Wespentaille und den beeindruckenden Brüsten aus einem von Pauls etwas erwachseneren Computerspielen.
Paul erstarrte mitten im Klatschen.
Sie ging geradewegs auf ihn zu – rasch, zielgerichtet, als könnte sie ohne weiteres durch den Maschendrahtzaun treten und auf ihn prallen. Dann breitete sie die Arme aus und griff mit beiden Händen an den Zaun.
Sie konnte nicht aufhören zu grinsen. »Hallo, Liebling.«
Er gab ein würgendes Geräusch von sich und stolperte rückwärts gegen die Motorhaube
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