In Liebe, Rachel
verstreute Kleidung in ihrem Hotelzimmer betrachtete, erst jetzt zu schätzen begann.
»Aber halt dich von den Opiumhöhlen fern, Kate. Das ist etwas anderes als Gras. Opium macht einen fertig.«
»Keine Angst, Barbara, ich bleibe sauber.«
»Willst du mit dem mürrischen alten Mann sprechen?«
»Klar.« Kate grinste. »Sag bloß, er ist zu Hause.«
»O ja, er ist die ganze Zeit zu Hause. Und total am Boden. Er nervt. Er ist wütend auf dich, Mädchen, sogar stinkwütend.«
»Ich weiß.«
»Er hat sich diese Woche drei Tage Urlaub genommen.«
»Hm.«
Sie deckt ihn, falls ich im Büro anrufe.
»Gerade arbeitet er mit Anna an einem Schulprojekt. Sie soll einen Webstuhl bauen oder so etwas – irgendwas Verrücktes. Als Paul klein war, hat er ein paar farbige Papierstreifen zu einem Tischset geflochten, und das war’s. Zehn Minuten, maximal. Die drei Stunden, die er im Kindergarten war, hat er laut ›Kumbaya‹ gesungen. Aus ihm ist auch ohne diese ganze institutionalisierte, gehirnerweichende Beschäftigungstherapie etwas geworden. Ah, da ist er ja. Willst du mit deiner Frau sprechen?«
Kate erstarrte. Im Hintergrund war eine männliche Stimme zu hören.
Nein!
Paul konnte nicht in New Jersey sein. Er saß doch gerade in einem Flugzeug in ein paar tausend Metern Höhe über ihrem Hotel und schwebte langsam auf den Flughafen von Bangalore hinab!
Das Telefon wurde übergeben. Kate sprang auf und legte die Hand auf ihren Bauch, unterdrückte eine plötzliche Gefühlsaufwallung.
»Hallo«, sagte Paul lebhaft. »Bist du am Flughafen?«
Sie versuchte zu schlucken. »Paul, ich dachte, du würdest
hierher
kommen.«
»Newark oder LaGuardia?«
»Hierher, Paul.
Hierher!
« Sie ging an der Bettkante entlang, und ihre Knie streiften die Bettlaken, auf denen sie sich eigentlich den ganzen Tag mit ihm hatte lieben wollen. »Nach Bangalore. Ins
Chancery
. Als wir das letzte Mal telefoniert haben, hast du gesagt, du würdest es dir überlegen …«
»Du bist immer noch in Indien?«
»Natürlich. Und ich warte auf dich.«
Er gab einen kurzen ärgerlichen Laut von sich, der deutlich hörbar durch die knisternde Satellitenleitung drang. »Und ich warte hier auf dich, Kate, weil du gesagt hast, du würdest darüber nachdenken, früher nach Hause zu kommen.«
»Du hast mir gesagt, du würdest darüber nachdenken, nach Indien zu kommen.«
»Das habe ich auch getan. Etwa zehn Sekunden lang. Und dann ist mir klargeworden, hey, wir haben Kinder! Einer von uns muss sich um sie kümmern.«
Sie schloss die Augen. Schuldgefühle, eine schlechte Mutter zu sein, brauchte sie jetzt wirklich nicht. Sie hatte sich vor der Abreise um alles gekümmert, wie immer. Sie hatte das Haus im Griff wie eine gut geölte Maschine, so dass alle anderen nur die seltenen Zwischenfälle bemerkten.
»Die Speisekammer ist voller Essen.« Sie krallte die Finger in die Seide des Nachthemds und presste dann die Faust gegen ihr wild klopfendes Herz. »Die Rechnungen für diesen Monat sind bezahlt. Ich habe jeden Fetzen Wäsche vor der Abreise gewaschen. Deine Mutter ist auch da …«
»Sie fährt kein
Auto
, Kate. Sie achtet auf ihre persönliche CO 2 -Bilanz.«
»Ich habe alles organisiert …«
»Aber es kommt immer etwas dazwischen.«
»Du könntest die anderen Mütter fragen …«
»Ich kenne diese Frauen doch gar nicht.«
»Ich habe auf dich gewartet, Paul.« Sie schluckte mühsam. »Ich habe vierundzwanzig Stunden lang auf dich gewartet.«
»Ich warte seit über einer Woche auf dich.« Seine Wut vibrierte durch die schlechte Verbindung. »Ich warte darauf, dass du dich in ein Flugzeug setzt, nach Hause fliegst und endlich wieder zur Vernunft kommst.«
Kate ging zum Fenster und zog an der Leine für die Jalousien. Unter ihr zog sich der lange, gepflegte Boulevard dahin. Dahinter konnte sie die Türme von zwei Moscheen erkennen und die Planen, die das Ende des Marktes kennzeichneten.
»Paul, wenn du hier wärst, könnten wir ein Motorrad mieten.« Sie lächelte verträumt. »Wir könnten durch die Stadt fahren. Jeder fährt hier Motorrad, selbst die Frauen in ihren Saris. Sie fahren hinter ihren Männern im Damensitz und halten sich fest.«
»Mach das nur, Kate, mach das mit Sarah. Rast mit dem Motorrad durch die Straßen von Bangalore. In der Zwischenzeit fahre ich Mike zum Training, koche das Abendessen, gehe um elf Uhr abends noch mal los, um das
spezielle
Shampoo für Tess zu kaufen, zerre einen Kamm durch
Weitere Kostenlose Bücher