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In Liebe, Rachel

In Liebe, Rachel

Titel: In Liebe, Rachel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Higgins
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müssen zusammenpacken. Wenn wir nicht bald losfahren, sind wir nicht vor Einbruch der Dunkelheit in Bangalore.«
    Sarah schob Kate sanft von ihrer Schulter. »Ist der letzte Junge aus dem OP ?«
    »Sie machen ihn gerade fertig.« Colins Hemd, zu Beginn des Tages noch frisch und gebügelt, hing ihm nun feucht von den breiten Schultern, der Kragen war schweißgetränkt. Während er auf sie zuging, rollte er seine Hemdsärmel hinunter und knöpfte sie an den kräftigen Handgelenken zu. »Unglaublich komplizierter Fall. Wir mussten die Muskelkräfte an Lippe und Nase ausbalancieren, ohne das Septum umzusetzen. Der Junge wird in einigen Jahren eine Nasenplastik benötigen, doch wenigstens wird er jetzt nicht mehr die Milch in seine Lungen inhalieren.« Er schüttelte den Kopf. »Solche Fälle sieht man in L. A. nicht oft. Sarah, du warst wieder mal unglaublich. Ich habe nie verstanden, warum du nicht Ärztin geworden bist.«
    »Das war eben nicht ihre Berufung.« Kate rappelte sich auf. »Ich helfe Sam beim Packen.« Sie strich mit den Händen ihr zerknittertes Gewand glatt und warf Sarah einen bedeutungsvollen Blick zu:
Ich lasse euch dann mal allein.
    Das spielt keine Rolle, dachte Sarah. Mit seinem zerzausten Haar, der verschwitzten Stirn und dem vor Aufregung glühenden Gesicht sah Colin mehr als je zuvor wie der junge Mann aus, den sie in Paraguay geliebt hatte. Doch selbst als ihr Herz einen vertrauten, schmerzhaften Satz machte, hielt sie sich zurück. Auf seinem Gesicht lag, wie schon den ganzen Tag, jener professionell-distanzierte Ausdruck, den sie zu fürchten gelernt hatte. Trotz seiner fröhlichen, umgänglichen Stimme und dem harmlosen Geplauder strahlten seine Augen eine Warnung aus:
Bleib mir vom Leib!
    Colin deutete mit dem Daumen auf Kate, als diese im Gebäude verschwand. »Geht es ihr gut? Sie sieht erschöpft aus.«
    »Ach, es ist ein bisschen kompliziert. Hat etwas mit einem von Rachels Briefen zu tun.«
    »Ah.«
    Die Wand fiel. Rachels Briefe waren ein Thema voller heimtückischer emotionaler Strömungen – die ihn ebenso einschlossen wie sie und ihre seltsame, angespannte Beziehung –, und wie gewöhnlich vermied Colin es ziemlich geschickt, sich in diesen Gewässern zu bewegen.
    Sarah fuhr fort: »Kate wird ihren Rückflug umbuchen, sobald wir im Hotel sind. Sie will Bangalore so schnell wie möglich verlassen, am liebsten schon morgen früh.« Ihre Kehle schnürte sich zu, doch die Worte waren nicht aufzuhalten. »Colin, ich werde mit ihr fliegen.«
    Sie hob das Kinn und sah ihn direkt an. Gleichzeitig versuchte sie, ihren Herzschlag unter Kontrolle zu bringen, ihren Atem. Sie musste abreisen. Sie konnten so nicht weitermachen.
Sie
konnte so nicht weitermachen.
    Körperlich wollte sie ihn immer noch. Selbst jetzt bemerkte sie, wie das Licht auf seiner Haut tanzte und die Vertiefung unter seinem kräftigen Schlüsselbein beschattete. Das Schlüsselbein, in das sie in der Nacht zuvor gebissen hatte, bevor er ihre Hüften gepackt und sie von dem abgehalten hatte, was sie beide wollten.
    Doch emotional waren sie Kontinente voneinander entfernt.
    Er trat einige Schritte zurück und schob die Hände in die Hosentaschen. Plötzlich zeigte er eifriges Interesse an dem raschelnden Blätterdach des Dschungels über ihnen und blickte konzentriert hinauf.
    Sie hatte nicht erwartet, dass er Einspruch erheben würde. Ebenso wenig, dass er sie bitten würde, bei ihm zu bleiben. Doch als sich das Schweigen endlos dehnte, stellte sich die Enttäuschung trotzdem ein. Seit sie Rachels Brief erhalten hatte, hatte sie gewusst, dass dieser Tag kommen würde. Sie hatte sich die Szene in unzähligen Variationen vorgestellt. Auf diese Erschütterung, den sich verstärkenden Schwindel war sie allerdings nicht vorbereitet.
    »O Sarah!« Sein Ton war ernst geworden. »Ich war in letzter Zeit nicht gerade ein Superheld.«
    »Heute warst du ein Superheld … für das Kind, dem du das Gesicht wiedergegeben hast.« Sie führte die Heiserkeit in ihrer Stimme auf den Rauch der Nelkenzigarette zurück. »Und du warst ein Superheld für all die Medizinstudenten, die den Atem angehalten haben, während du unterrichtet hast. Du bist der beste Chirurg, den ich kenne.«
    Das stimmte nicht ganz. Dr. Mwami in Burundi konnte im Licht einer Taschenlampe, bei in der Ferne dröhnendem Gefechtslärm wahre Wunder wirken. Doch das war etwas anderes. Colin hatte sich so sehr spezialisiert, dass seine Art zu operieren einfach magisch

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