In Liebe verführt
alles andere überwogen. Seine eigenen Lustgefühle konnte er leicht höheren Zielen unterordnen. Seine Welt war gefährlich und instabil. Es war kein Platz darin für Gefühle oder Abhängigkeit, seien sie nun gegenseitiger Natur oder nicht. Und doch wusste er, dass er es nicht ertragen konnte, dieser Frau wehzutun, die sich ihm mit solcher Freude hingab und deren Leidenschaft die seine mehr entzündete, als er es jemals erlebt hatte. Aber er hinterging sie, und er hatte vor, das auch weiterhin zu tun, solange es notwendig war. Also wie war das mit ihm und seinen Gewissensbissen?
»Du denkst zu viel nach«, sagte Meg mit einem leisen Lachen. »Ich finde es nicht schmeichelhaft, die zweite Geige neben Gedanken spielen zu müssen, die nicht von der angenehmsten Sorte sind, wenn man deinem Gesichtsausdruck Glauben schenken darf.«
»Da drängelt sich nur manchmal die Wirklichkeit durch«, sagte er, drehte ihre Handfläche nach oben und drückte einen Kuss in die Mitte. »Schon wieder vorbei.«
»Sollen wir unter Deck gehen?« Ihre sandfarbenen Augenbrauen hoben sich in verführerischer Einladung. »Wir könnten uns ja kurz fassen.«
Er blickte sich um. Die Mary Rose segelte heiter auf ruhigem Wasser dahin. Kein anderes Schiff, feindlich oder nicht, war zu sehen. Und Bordeaux mit all den schwierigen Entscheidungen, die dort getroffen werden mussten, war nur noch einen halben Tag weit entfernt. Ein weiser Mann nahm die Gelegenheiten wahr, die sich ihm boten.
»Warum nicht?« Er stand lachend auf und streckte eine Hand aus, um sie auf die Füße zu ziehen.
»Warum kann ich dich nicht begleiten?«, wollte Meg wissen, als sie Cosimo dabei beobachtete, wie er seinen schwarzen Umhang anzog. »Diesmal ist die Nacht genau richtig zum Rudern – ganz anders als beim letzten Mal.«
Sie folgte ihm auf Deck und stand im Mondlicht an der Reling, als er hinunter ins Beiboot kletterte, die Ruder aufnahm und in Richtung auf die sandige Bucht zu rudern begann, die etwa eine halbe Meile entfernt lag. Sie war ihm den ganzen Tag hartnäckig gefolgt und hatte trotzdem nicht gesehen, dass er Nachrichten aus irgendeinem Versteck nahm. Sie wusste nicht einmal, wo er sie für die Fahrt zum Strand aufbewahrt haben könnte. Solche Nachrichten mussten doch einen gewissen Platz einnehmen – doch keine der Taschen seiner Hosen beulte aus, und nichts schien unter seinem Hemd zu stecken. Zumindest nichts, was sie hätte fühlen können, als sie ihn zum Abschied küsste.
Allerdings – wenn er dann zurück zum Schiff kam, würde seine Arbeit hier beendet sein. Sie würden ohne weitere gefährliche Abstecher zum Ufer zurück nach England segeln. Natürlich konnten ihnen dabei französische Schiffe in die Quere kommen, aber in der Beziehung hatte Meg keine Angst. Sie glaubte fest daran, dass der Freibeuter jeden Admiral der französischen Flotte übertölpeln konnte. Wahrscheinlich auch jeden der königlichen Marine, Nelson selbst nicht ausgenommen. Doch dieses Glaubensbekenntnis behielt sie für sich.
Sie lehnte ihre verschränkten Arme auf die Reling und beugte sich vor, während sie den fernen Strand und die Umrisse des sich entfernenden Ruderboots beobachtete. Das Abenteuer war beinah vorbei. Es musste so sein. Es gab eine Welt, in die sie wieder zurückmusste. Ganz zu schweigen von den Folgen ihres Ausflugs, die sie dort erwarteten. Sie wusste nicht genau, wie sie dieses Abenteuer ihrer Mutter oder gar ihrem Vater erklären sollte. Arabella würde ihr bestimmt bei der Formulierung helfen, doch die Aussicht auf eine Teilbeichte war trotzdem nicht angenehm. Und natürlich würde es das Ende ihrer individuellen Ausflüge bedeuten. Sie würde eine späte »Jungfer« von dreißig mit beschränkten finanziellen Mitteln sein, die in der Gesellschaft keinerlei Interesse mehr weckte, selbst wenn die Herzogin von St. Jules sie protegierte. Wenn sie eine Witwe wäre, würden ihre Chancen weitaus besser aussehen. Und eine Witwe mit gutem Auskommen hatte sogar noch bessere Chancen. Doch sie war nichts als eine einfache Miss Barratt, die gerade noch dazu in der Lage sein würde, das würdevolle Leben einer allein stehenden Dame auf dem Lande zu finanzieren.
Nur dass sie absolut kein Mensch für ein solches Leben war . Wie konnte sie sich jemals mit einer solchen Halbexistenz zufrieden geben? Sie war die Geliebte eines Freibeuters. Sie kannte Höhen und Tiefen der Leidenschaft, die für die meisten Frauen ihrer Welt völlig unvorstellbar waren. Mit
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