In Liebe verführt
M’sieur.«
Er kam zu ihr und verbeugte sich, sein hoher Schatten verdeckte die Sonne. »Daniel Devereux, zu Euren Diensten, Madame.«
Ihr Lächeln blieb unverwechselbar kühl, und sie neigte nur schweigend zum Gruß den Kopf, ohne sich selbst vorzustellen.
»Euer Cousin leistet Euch nicht Gesellschaft«, bemerkte er und sah sich um, als erwarte er, dass Cosimo plötzlich hinter einer der Trauerweiden auftauchen würde, die das Ufer säumten.
Er hatte sich wohl beim Herbergswirt nach ihnen erkundigt, dachte Meg, und sie spürte eine leichte Unruhe, obwohl nichts an Monsieur Devereux’ Erscheinung oder Verhalten diese rechtfertigte. Sein dunkelbrauner Rock nebst dazugehörigen Kniehosen waren makellos geschneidert. Der Ausdruck auf seinem schmalen Gesicht und in den hellbraunen Augen war lediglich freundlich. Wahrscheinlich empfand er nichts als natürliche Neugier für die anderen Gäste der Herberge, mit denen er am Abend zusammen essen würde.
»Mein Cousin hat in der Stadt zu tun«, erklärte sie in unverändert kühlem Ton und hoffte, er würde dies als Abschied verstehen. Stattdessen setzte er sich neben sie auf die Bank.
»Vergebt meine Neugier, Madame Giverny«, sagte er mit einem Lächeln, das überhaupt nicht um Verzeihen heischte. »Euer Französisch ist makellos, aber mir scheint, dass es nicht Eure Muttersprache ist?«
Er kannte also auch ihren Namen. Sie beschloss, dass ihr wohl nichts anderes übrig blieb, als seine Neugierde zu befriedigen, und zwar so kurz und wenig entgegenkommend, wie sie konnte. »Mein Vater hatte französische Verwandte, Monsieur. Ich habe einen Teil meiner Kindheit in Frankreich verbracht. Mein verstorbener Ehemann war Schweizer.«
»Mein Beileid, Madame. Ihr seid ja eigentlich noch viel zu jung für einen solchen Verlust.« Er nickte ernst. »Wenn ich das richtig gehört habe, seid Ihr auf dem Weg nach Venedig.« Dann hob er die Hände in einer bittenden Geste. »Ah, ich sehe, dass ich Euch zu nahe trete. Meine schreckliche Neugierde! Ich bitte Euch um Verzeihung, Madame.«
Sie warf ihm noch ein kühles Lächeln zu. »Mein Reiseziel ist kein Geheimnis, Monsieur.«
» Nathalie? «
Cosimos Stimme ertönte ungewöhnlich rau hinter ihnen. Meg schaute über ihre Schulter und sah ihn ein paar Meter entfernt im Schatten der Bäume stehen. »Oh, Cosimo, ich hatte dich noch nicht so bald zurückerwartet.«
»Das kann ich sehen, meine liebe Cousine«, erklärte er beim Näherkommen kühl. Er wirkte verärgert, beinah zornig, sein Kinn war hart, in seinen Augen lag keinerlei Wärme.
Meg blinzelte überrascht. Was in aller Welt war mit ihm los? »Monsieur Devereux…«, sagte sie mit einer vagen Geste in seine Richtung. Dieser stand auf und verbeugte sich vor Cosimo.
Cosimo nickte nur kurz und sagte dann ebenso kurz angebunden: »Cousine, dürfte ich wohl um einen Moment Eurer Zeit bitten?«
Meg stand auf und glättete die Röcke ihres Baumwollkleides. Privat hätte sie ihm unmissverständlich klar gemacht, dass ihr sein Ton gar nicht gefiel, was immer auch der Grund dafür sein mochte. Doch in Gesellschaft eines Fremden würde sie sich beherrschen. Sie nahm den Arm, den Cosimo ihr bot, und wanderte mit ihm den Pfad im Schatten der Bäume entlang, der zurück hinauf zur Herberge führte.
»Was zum Teufel ist los mit dir?,« wollte sie mit drohendem Unterton wissen, als sie außer Hörweite waren.
» Pssst !«, befahl er in scharfem Flüsterton, legte seine Hand auf die ihre, wo sie seinen Arm berührte und drückte sie fest. Sein Gesichtsausdruck wurde nicht weicher, als sie das Halbdunkel der Eingangshalle der Herberge betraten. Er zog seinen Arm unter ihrem heraus und bedeutete ihr schweigend, sie solle vor ihm die schmalen Stufen der Treppe hinaufgehen.
Meg ging ihm verwirrt und ziemlich verärgert voraus zum ersten Stock, in dem sie eine Suite von Zimmern gemietet hatten. Die Frau des Herbergswirts kam gerade aus dem kleinen Wohnzimmer, das zwischen ihren beiden Schlafzimmern lag.
»Ich habe Euch eben frische Blumen ins Zimmer gestellt, Madame«, sagte sie mit einem Lächeln und einem Knicks. »Und Amelie wird Euch gern beim Umziehen fürs Abendessen behilflich sein. Ihr braucht nur nach ihr zu klingeln, wenn Ihr sie braucht.«
»Danke, Madame Brunot«, erwiderte Meg, die sich deutlich der finster schweigenden Anwesenheit Cosimos hinter sich bewusst war. Die Frau des Herbergswirts schaute zu ihm auf, und ihr Lächeln verlosch. Sie knickste noch einmal und
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