In Liebe verführt
wo Meg untergebracht war. »Zieh die Kleider aus.« Das war eine neutrale Anweisung, und Meg fasste sie genauso auf.
Er platzierte die Reisetasche aufs Bett und öffnete sie. Erst nahm er ein Unterhemd heraus, dann einen seidenen Unterrock, Seidenstrümpfe mit Strumpfbändern aus Spitze, ein Kleid aus grün-rosa gestreiftem Damast, zarte Hirschlederschuhe und einen charmanten, beigen Strohhut mit elfenbeinfarbenen Samtbändern.
Meg zog die Kleidung des Anatole aus. Ihre Nacktheit vor Cosimo fühlte sich so natürlich an wie sonst, was sie ein wenig überraschte, bis ihr klar wurde, dass er das nicht einmal zu bemerken schien, da er so mit seiner Aufgabe beschäftigt war. Er gab ihr die Kleidungsstücke ein Teil nach dem anderen, seine Stirn war konzentriert in Falten gelegt. Er knöpfte mit knappen, effizienten Bewegungen das Kleid im Rücken zu, trat zurück und betrachtete sie.
»Das habe ich gut hinbekommen«, stellte er fest. »Sie hätten extra für dich gemacht sein können.«
Meg dachte an Anas Kleider, die Cosimos geplante Partnerin auf der Mary Rose erwartet hatten. Wahrscheinlich hatte er jene Kleider mit derselben Präzision besorgt, was die Passform betraf, wie er es mit diesen Kleidern geschafft hatte. Der Mann hatte offensichtlich den scharfen Blick eines Schneiders, dachte Meg ironisch.
»Tu mit deinem Haar, was du kannst.« Er gab ihr einen Kamm. »Der Hut wird verbergen, dass es unordentlich ist, bis Paul sich damit beschäftigen kann.«
»Wer ist Paul?« Meg zog den Kamm durch ihre zerzausten, ungleich langen Locken.
»Ein hervorragender Coiffeur. Du hast einen Termin mit ihm heute Nachmittag um sechs. Und morgen bist du dann bereit, deine ersten, so hoffen wir, neugierigen Besucher zu empfangen.« Er reichte ihr den Strohhut.
In dem Zimmer hing ein kleiner, polierter Blechspiegel, dessen Bild ziemlich verzerrt war, aber Meg hatte sich an ihn gewöhnt. Sie rückte den Hut auf ihrem Kopf zurecht, arrangierte ein paar Löckchen über ihren Ohren und erklärte sich mit ihrer Erscheinung zufrieden. Es war erstaunlich, wie die Kopfbedeckung ihr Aussehen veränderte, obwohl ihr Gesicht in den letzten Wochen für den Geschmack der Mode eindeutig etwas zu viel Sonne abbekommen hatte. Ihre Sommersprossen, die deutlich sichtbarer waren als sonst, lagen unter der Hutkrempe im Schatten.
»Dann sollten wir uns auf den Weg machen, Mylady«, sagte Cosimo und verbeugte sich tief wie ein Bediensteter. »Würdet Ihr bitte…« Er öffnete die Tür und ging zur Kutsche voraus.
Er legte eine Hand auf ihren Arm, als sie in die Kutsche steigen wollte. »Nur eines noch«, sagte er ruhig. »Von jetzt an spielst du deine Rolle, Meg. Wenn wir erst auf der Straße zur Stadt sind, können wir uns nur noch wie Herrin und Bediensteter unterhalten.«
»Ich vermute, dass ich das sehr genießen werde«, entgegnete Meg und stieg in die Kutsche. »Ach übrigens, was ist Euer Name, Haushofmeister?«
»Charles«, gab er zurück und schloss die Tür. »Aber wenn es dir leichter fällt, dich an meine Berufsbezeichnung als an meinen Namen zu erinnern, sprich mich einfach mit ›Haushofmeister‹ an, und wenn es dir gelingt, hochnäsig genug zu klingen –«
»Oh, keine Sorge«, sagte sie und nahm Platz. »Das werde ich ohne Schwierigkeiten schaffen. Nur noch eine Frage: Kann ich mir nicht Kutscher und Haushofmeister leisten?«
Unter anderen Umständen hätte er den scharfen Ton ihrer Stimme amüsant gefunden, doch jetzt war das nicht möglich. Er wandte sich ab und stieg auf den Kutschbock. »Zurzeit müssen alle etwas sparen, und niemand wundert sich, wenn ich beide Aufgaben erfülle.« Er wandte den Kopf und musterte sie eindringlich. »Es ist wichtig, dass nur ich dich zu jeder Zeit kutschiere. Ich muss mich um deine Sicherheit kümmern, egal wo du hinfährst.«
Meg nickte, und die aufmüpfige Stimmung von eben war fort.
»Ich spreche übrigens auch Englisch.« Cosimo hob die Peitsche, um die Pferde anzutreiben. »Du solltest dich mit beiden Sprachen wohl fühlen, das wird von Madame Giverny mit ihrer schottischen Abstammung erwartet… die sich übrigens entschlossen hat, angesichts der hiesigen politischen Lage nach der Revolution ihren Titel nicht zu verwenden.«
»Ja, natürlich, warum sollte ich auf einer unmodern gewordenen Anrede bestehen?«, fragte Meg kühl.
»Natürlich würde Madame das nicht tun«, stimmte er ihr mit einem versteckten Lächeln zu und ließ die Peitsche über den Hinterteilen der Pferde
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