In Liebe verführt
war schon älter«, erklärte sie am Ende der Erzählung. »Sein Tod kam nicht unerwartet. Obwohl er mir mehr ein Vater als ein Ehemann war, spüre ich den Schmerz seines Verlusts noch jeden Tag. Er war stets ein starker Mann für mich.« Sie berührte ihre Augen mit einer Fingerspitze, als wolle sie eine Träne fortwischen.
»Ach, wie traurig für Euch, meine Liebe«, sagte Napoleon, der wirklich gerührt schien von ihrer Geschichte. »So jung zu sein und schon ganz allein in der Welt.«
» So jung bin ich nun auch wieder nicht, Napoleon«, verbesserte sie mit einem kleinen, selbstironischen Lächeln. »Ich glaube, wir beide sind genau gleich alt. Und Ihr habt in zehn Jahren schon fast so viel vollbracht wie Alexander der Große.«
Er lächelte, nahm ihre Hand in die seinen. »Glaubt mir, meine liebe Nathalie, ich habe gerade erst angefangen. Meine Siege werden die Alexanders bei weitem in den Schatten stellen. Die Welt weiß nicht, was sie noch erwartet.«
Er sprach mit so viel ruhiger Überzeugung, seine Augen leuchteten so eindringlich im Vertrauen auf sich selbst, dass es ihr den Atem nahm. Sie wusste, dass er von den Männern, die ihm dienten, bewundert – ja, nahezu angebetet – wurde, und jetzt, da sie selbst dieses absolute Selbstvertrauen erlebte, begann sie zu verstehen, warum.
»Ich habe mich gefragt, wie Ihr Euch fühlt, wieder in Toulon zu sein«, sagte sie, »nachdem Ihr es vor fünf Jahren von den Briten zurückerobert habt. Ich hatte den Eindruck, dass jener militärische Erfolg ein Wendepunkt für die neue Republik war.«
Seine weißen Zähne leuchteten in einem breiten Lächeln. »Ach, Nathalie, jede Sekunde, die ich in dieser Stadt verbringe, erinnert mich an jenen sehr befriedigenden Sieg.«
»Ihr wart damals erst vierundzwanzig«, meinte sie und hoffte, dass sie sich eventuell unbeschadet durch den Abend manövrieren konnte, wenn es ihr gelang, das Gespräch um seine Eroberungen, militärischen Erfolge und jakobinische Philosophie kreisen zu lassen. »Würdet Ihr mir davon erzählen? Jetzt, wo ich Toulon ein wenig kenne, würde ich die Einzelheiten Eurer Aktion sicher besser verstehen.«
»Beim Abendessen«, versprach er, als sich eine andere Tür öffnete und ein Bediensteter sich verbeugte.
»Das Abendessen ist serviert, General.«
»Ah, gut, ich habe großen Hunger.« Er stand auf und strich über seinen runden Bauch, um diese Aussage zu betonen. »Nathalie…« Er bot ihr seinen Arm und geleitete sie in ein kleines, privates Esszimmer, wo der runde Tisch für zwei Personen gedeckt war und diskret aufgestellte Kerzen ein warmes, fast intimes Licht über die weiße Leinentischdecke, das Silbergeschirr und die exquisiten Kristallgläser warfen.
Er rückte einen Stuhl für sie zurecht und setzte sich dann ihr gegenüber. Er schüttelte seine Serviette aus, legte sie sich auf den Schoß und fragte interessiert: »Was habt Ihr heute Abend für uns, Alphonse?«
Ein Mann in weißer Schürze beaufsichtigte einen Bediensteten, der diverse Schüsseln auf eine Anrichte stellte. Er drehte sich um, verbeugte sich und rezitierte in offensichtlicher Verehrung des Generals: »Als ersten Gang Ortolan an weißen Trauben, dann gegrillte Brasse mit sauce aux écrevisses , Kaninchenragout und das pièce de résistance , einen Lammrücken mit sauce bordelaise und einer zarten Mousse aus süßem Knoblauch und extra feinen Erbsen.« Er erlaubte seinen schmalen Lippen ein kleines, zufriedenes Lächeln.
»Exzellent… exzellent«, verkündete der General. »Ich hoffe, Ihr seid damit zufrieden, Madame.«
»Aber voll und ganz, General«, sagte Meg innerlich stöhnend. Sie hatte zwar einen guten Appetit, aber so zahlreiche Speisen als ersten Gang hätten auch einen sehr viel größeren Appetit als den ihren eingeschüchtert. Napoleon schien das anders zu sehen, denn er begann, mit Genuss zu essen.
Alphonse entfernte sich aus dem Esszimmer, nachdem er ein paar Minuten lang aufmerksam dabeigestanden hatte, während sein Herr jede Speise kostete und für gut erklärte. Der Bedienstete blieb, um ihnen zu servieren und ihre Weingläser immer wieder zu füllen.
Meg trank wenig, weil sie einen klaren Verstand brauchen würde, wenn der Bedienstete schließlich entlassen würde. Sie knabberte das Fleisch von dem winzigen Schenkel eines Ortolans und tauchte ihre Finger in das dafür bereitgestellte Schüsselchen mit Wasser. »Aus dem zu schließen, was ich über die Schlacht um Toulon gelesen habe, General, war
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