In Liebe verführt
Rolle einer zögernden Jungfrau, die stotternd ihre Unschuld beteuern musste. Sie hätte außerdem sowieso nicht gewusst, wie man diese Rolle spielt. Diesen erheiternden Gedanken ließ sie schnell wieder fallen. Der jetzige Moment war zu wichtig, um sich ablenken zu lassen.
Sie öffnete und schloss ihren Fächer, als würde sie gründlich nachdenken. Dann schloss sie ihn mit einem entschiedenen »Klapp« und sah zu Napoleon hinüber. »Falls wir uns zu einer Verabredung entschließen, Napoleon, dann nur, wenn sie in völliger Abgeschiedenheit stattfindet«, sagte sie mit leiser, aber klarer Stimme. »Wir müssen uns irgendwo außerhalb der Stadt treffen, und zwar nur wir beide. Ich würde Euch darum bitten, dass Ihr wirklich ganz allein kommt, so wie ich es ebenfalls tun werde.«
Sie öffnete ihren Fächer wieder und bedeckte halb ihr Gesicht, während sie seinen Ausdruck beobachtete. »Niemand darf davon erfahren. In weniger als einer Woche werdet Ihr von hier abreisen, unsere Liaison wird nichts als eine Erinnerung bleiben, aber ich werde immer noch hier sein. Ich kann nicht und werde nicht das Opfer jeder Klatschtante und jedes Skandalwütigen an der Mittelmeerküste sein.«
»Das verstehe ich, meine Liebe«, sagte er. »Ich glaube, diese Bedingungen kann ich ohne große Mühe erfüllen.«
»Ihr werdet mir Euer Wort geben, dass Ihr es niemandem sagt.« Sie stand offensichtlich erregt auf. »Ach, ich bin ja so dumm in solchen Dingen. Ich verliere einfach jede Kontrolle, wenn ich…« Sie öffnete die Hände in einer hilflosen Geste. »Wenn ich jemandem begegne, den ich so ungemein anziehend finde.«
Er lächelte und legte unbewusst beide Hände an die Aufschläge seines bestickten, scharlachroten Rocks. »Solche Anziehungskräfte sind dafür da, dass man ihnen nachgibt, meine Liebe.«
»Das mag schon sein«, sagte sie mit einem bedauernden Lächeln. »Aber das größte Risiko dabei hat die Frau.« Diese schlüpfrigen Worte ließen ihr die Haare zu Berge stehen, während sie sie aussprach.
»Vertraut mir, Nathalie, ich werde kein Risiko eingehen, was Euren guten Ruf betrifft«, sagte er, kam auf sie zu, griff nach ihren Händen, hob sie zu seinen Lippen – zog sie unvermittelt an sich und küsste sie hart auf den Mund.
Sie wehrte sich gegen ihn und wandte den Kopf zur Seite. »Bitte, bitte, Napoleon. Nicht hier, ich flehe Euch an.«
Er ließ sie plötzlich los. Sein Blick war wild, und er atmete schwer. »Vergib mir… aber du bringst mich ganz aus dem Konzept. Ich kann es kaum erwarten, dich ganz…« Er beendete seinen Satz nicht, aber das war sowieso nicht nötig.
Meg trat einen Schritt zurück und näher zum Fenster. Sie glaubte nicht, dass er sie an diesem Punkt noch weiter bedrängen würde, aber der Gedanke, dass Cosimo vom Tor aus den Vorhang beobachtete, tat ihr gut. »Am rechten Ort, zur richtigen Zeit…«, sagte sie und war dankbar, dass ihre Stimme fest blieb.
Er atmete geräuschvoll aus und wischte sich mit dem Taschentuch über die Stirn. »Ihr lasst nur schwer mit Euch handeln, meine liebe Nathalie. Aber es sei so, wie Ihr es wünscht. Ich werde alles arrangieren. Wartet, bis Ihr von mir hört.«
»Ich warte ungeduldig«, sagte sie und kam zu ihm herüber. Sie beugte sich vor und küsste ihn sacht auf den Mundwinkel. »Das verspreche ich«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Und jetzt muss ich Euch für heute verlassen.«
Napoleon zog so fest an der Klingelschnur, dass sie abriss, und der Adjutant kam herein, noch bevor das Klingeln verklungen war. »General.«
»Begleitet Madame Giverny zu ihrer Kutsche«, befahl Bonaparte ihm knapp. Er verneigte sich flüchtig vor seinem Gast. »Ich wünsche Euch eine gute Nacht, Madame«, sagte er, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand in seinem angrenzenden Büro, ohne ihre Antwort abzuwarten.
»General«, murmelte sie hinter ihm her und rauschte an dem interessiert dreinschauenden Gilles vorüber, der ihr die Tür aufhielt. Bonaparte hatte diese Rolle recht gut gespielt. Jetzt würde es das Gerücht geben, dass die Witwe ihm in irgendeiner Weise missfallen hatte. Es gelang ihr, verwirrt und unbehaglich dreinzuschauen, während sie aus der Villa und über den Hof zu ihrer wartenden Kutsche begleitet wurde. Das »Gute Nacht« des Adjutanten erwiderte sie mit einem gehauchten Flüstern.
Er salutierte und kehrte ins Haus zurück, um Colonel Montaine von dem interessanten Abschluss dieser Abendbegegnung des Generals zu berichten.
Cosimo hatte noch
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