In Liebe verführt
verbrannt. Mit düsterer Miene verließ er das Zimmer.
25
»Die Tür stand die ganze Zeit offen?« Colonel Montaine sah Gilles misstrauisch an.
»Ja, Colonel. Und Claude war während des ganzen ersten Ganges auf seinem Posten und hat serviert.«
»Worüber haben sie sich während des Abendessens unterhalten?«
»Hauptsächlich die militärische Karriere des Generals, sagt Claude. Und über die politische Lage in Paris.«
Montaine trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Er saß bei einem späten Abendessen. »Der General zeigte kein spezielles Interesse an der Witwe?« Er deutete einladend auf die Karaffe.
»Danke, Colonel.« Gilles füllte ein Glas und setzte sich dem Colonel gegenüber. »Keines, das irgendwie zu bemerken gewesen wäre. Und als die Dame ging, wirkte er unzufrieden.«
»Hm.« Montaine runzelte die Stirn. »Vielleicht, weil sie schon ging? Oder hat sie ihn irgendwie anderweitig beleidigt?«
»Ich weiß es nicht, Colonel. Aber er war so kurz angebunden, dass man es schon unhöflich nennen könnte.«
Montaine rieb sich das Kinn. Irgendetwas stimmte da nicht. Frauen wiesen Bonapartes Avancen nie zurück. Oder war es möglich, dass die Witwe Giverny die Ausnahme von der Regel war, dass sie einfach nicht empfänglich war für die Macht und den verführerischen Charme des Generals? Unwahrscheinlich. Falls es so war, warum hätte sie die Einladung überhaupt annehmen sollen?
»Erinnert Euch Madame Giverny an irgendjemanden, Gilles?«, fragte er.
Der Adjutant schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht, Colonel. Sollte sie das?«
Das Stirnrunzeln des Colonels wurde noch tiefer. »Bonaparte sagte, sie erinnere ihn an jemanden. Deswegen wurde er überhaupt auf sie aufmerksam. Ich sehe keine Ähnlichkeit mit irgendeiner Frau, die ich kenne. Aber Ihr seid schon länger im Dienst des Generals.«
Gilles schüttelte betrübt den Kopf. »Nein, mir fällt niemand ein. Aber der General führt genau Buch. Vielleicht steht da irgendetwas drin.«
»Vielleicht.« Montaine griff nach seinem Weinglas. »Mir gefällt allerdings der Gedanke nicht, dass der General mich erwischen könnte, wie ich in seinen Tagebüchern stöbere. Ich wüsste nicht einmal, in welchem Jahr ich anfangen müsste.« Er trank sein Glas leer und griff noch einmal nach der Karaffe.
»Habt Ihr einen Verdacht gegen Madame Giverny?« Gilles betrachtete ihn neugierig.
Der Colonel zuckte mit den Schultern. »Nur so ein Gefühl, Gilles, nichts, was sich einkreisen ließe. Falls Bonaparte vor Morgengrauen zu Bett geht, werde ich einen Blick auf seine Tagebücher werfen.« Er klang nicht allzu hoffnungsvoll. Der General kam mit bemerkenswert wenig Schlaf aus. Normalerweise dämmerte es schon, wenn er sich für das kurze Nickerchen hinlegte, das seine Nachtruhe ersetzte. Und bis dahin würde im Hauptquartier wieder zu viel los sein, wodurch diskretes Spionieren fast aussichtslos wurde.
»Ihr könntet ihn ja fragen«, schlug Gilles vor.
Montaine lachte freudlos. »Das letzte Mal, als ich die Dame vor dem General erwähnte, hat er mir beinah den Kopf abgerissen. Ich glaube nicht, dass ich das noch einmal riskieren will. Gute Nacht, Gilles.«
Der andere akzeptierte diesen plötzlichen Abschied ohne besondere Verwunderung. Der Colonel war nicht für seine besonders höfliche Art bekannt. Er trank sein Glas leer und stand auf. »Gute Nacht, Colonel.«
Montaine drehte den Stiel seines Weinglases zwischen den Fingern und starrte dabei ins Leere. Schließlich schob er seinen Stuhl zurück und stand auf.
Er wanderte gemächlich den Flur zu den Räumen des Generals hinunter. Die Tür zum Salon stand offen, und der Kammerdiener des Generals war damit beschäftigt, das Zimmer aufzuräumen. Der Colonel blieb an der Tür stehen. »Hat sich General Bonaparte schon zurückgezogen, Claude?«
»Nein, Colonel, er ist vor einer halben Stunde zu einem Ritt aufgebrochen.«
»Zu einem Ritt? Aber es ist schon nach Mitternacht!«
»Ja, Colonel, aber er sagte, er brauche noch Bewegung.«
»Wer begleitet ihn?«
»Ich glaube, einer der diensthabenden Offiziere, Colonel.«
»Aha.« Montaine runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich werde mir den Terminkalender des Generals für morgen ansehen.« Er durchquerte den Salon und betrat das Büro. Es war hell erleuchtet wie üblich. Der General arbeitete zu ungewöhnlichen Zeiten, und die Kerzen brannten die ganze Nacht.
Montaine ließ die Tür leicht angelehnt und ging zu den Regalen hinter dem Schreibtisch, wo die
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