In Liebe verführt
wickelte den Umhang fester um sich, weil sie sich plötzlich schämte, ihre ungewöhnliche Aufmachung zu zeigen.
»Ein ganzes Schiff voll«, gab Cosimo zurück. »Miles ist ein Segler mit natürlicher Begabung. Frank muss sich mehr Mühe geben, aber er wird es auch schaffen.«
»Quiberon«, sagte Meg. »Wirst du bei der Stadt an Land gehen?«
»Nein«, antwortete er. »Wir werden in einer kleinen Bucht fünf Meilen weiter küstenabwärts ankern.«
Meg wartete, ob er noch mehr sagen würde, aber nach einer Minute stieg er zum Oberdeck hinauf, stellte sich hinter Frank und legte seine Hände auf die seines Neffen. Er begann, ihm leise Anweisungen zu geben, und drehte dabei das Steuerrad in die richtige Richtung.
Meg sah ihnen zu und überlegte, dass sie noch nie gehört hatte, dass Cosimo ein raues Wort sagte oder seine Stimme erhob. Er benutzte seinen Eisblick. Doch das war seine einzige Waffe, die einzige offensichtliche Manifestation seiner Autorität. Und die setzte er selten ein. Genau genommen, dachte sie bekümmert, war sie ihres Wissens die Einzige, die seit ihrer Ankunft auf der Mary Rose damit bedacht worden war. Was war er also? Er bewirkte bei seinen Leuten Loyalität – oder sogar mehr als das: Unterwerfung. Kommentarlose Unterwerfung und Vertrauen. Selbst bei einem Mann wie David Porter. Ein gebildeter, empfindsamer Arzt, der es nicht nötig hatte, sich einem Mann anzuschließen, der am Rand der Gesellschaft lebte… einem Mann, der eine verschlossene Schublade mit Messern zum Töten in seiner Kajüte verbarg.
12
Die Ankerkette rasselte, und das Geräusch erschien ihr in der Stille der Nacht ungewöhnlich laut. Die Mary Rose kam mit einer leichten Erschütterung zum Stehen, als die Haken des Ankers sich in den sandigen Grund vor der Küste der Bretagne gruben. Die Nacht war dunkel, der Mond blinzelte nur ab und zu zwischen den Wolken hervor, Sterne waren keine zu sehen. Aber der Regen hatte aufgehört, und der Seegang war ruhiger als tagsüber.
Meg, die wie üblich auf dem Oberdeck am Heck stand, konnte knapp die rauen Klippen der Küste etwa eine halbe Meile entfernt erkennen. Das Donnern der Wellen, die sich bedrohlich auf den berüchtigten Felsen der bretonischen Küste brachen, war genauso unheimlich wie das gelegentliche Aufleuchten von weißer Gischt. Irgendwo jenseits dieser Felsen lag die geschützte kleine Bucht, in der Cosimo vorhatte, an Land zu gehen. Nicht mit Hilfe der Mary Rose , das wusste Meg, ohne zu fragen, sondern dank eines der Ruderboote, die auf dem Mitteldeck festgezurrt waren.
Sie wandte der Küste den Rücken zu und schaute über das dunkle Deck. Heute Nacht gab es keine Lampen auf der Mary Rose . Cosimo redete mit Mike und dem Bootsmann, Frank und Miles standen in diskretem Abstand, aber nah genug, um das Gespräch hören zu können. Einmal schaute Cosimo zu Meg hinüber, dann wandte er sich wieder dem Gespräch zu.
Meg hatte eine ungewöhnliche Anspannung in ihm gespürt, seit der Nachmittag in den Abend überging. Sie fragte sich, ob er sich wohl Sorgen machte wegen der Nachrichten über Ana, die er zu bekommen hoffte. Sie wusste genug, um zu erraten, dass etwas Schlimmes geschehen sein musste, um Ana daran zu hindern, zum Treffen in Folkstone zu erscheinen. Erwartete Cosimo das Schlimmste? Dass seine Geliebte, seine Freundin, seine Partnerin tot war? In dem Krieg gestorben, für den auch er heimlich kämpfte. Ein Krieg, der mit Spionen und Attentätern agierte.
Sie verschränkte die Arme fest vor der Brust, weil sie unvermittelt ein Bedürfnis nach mehr Wärme hatte. Sie konnte sich einfach nicht damit abfinden, wozu diese Überlegungen immer wieder führten.
»Kaffee, Madam?«
»O ja, bitte.« Sie nahm den Becher, den Biggins ihr anbot, und schlang ihre Hände in den Handschuhen darum. »Eine gute Idee, vielen Dank.«
»Der Käp’n sagt, ich solle Euch einen Schuss Cognac hineintun«, erklärte Biggins und öffnete ein Fläschchen. »Er sagt, Ihr würdet es brauchen.«
Meg war zu erstaunt, um zu widersprechen, als der Seemann eine großzügige Portion in den schwarzen Kaffee in ihrem Becher goss. Sie pustete auf die heiße Flüssigkeit und nahm behutsam einen Schluck. Der Cognac wärmte sofort ihre Kehle und fühlte sich in ihrem Bauch ebenso tröstlich warm an. Der nächste Schluck war schon gar nicht mehr so behutsam. Sie durfte schließlich einem Freibeuter nicht widersprechen, oder?
Jetzt ließen sie das Ruderboot zu Wasser, und Miles stieg zuerst die
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