In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
musst du mir näher erklären.« Der Russe lehnte sich wieder auf seinem Stuhl zurück, schaute Knut mit halb geschlossenen Augen an.
»Wir sind uns einig, dass es eine dritte Person geben muss, nicht wahr?« Knut sprach hastig, aus Angst, die Übersicht zu verlieren, wenn er es nicht schnell genug darlegte. »Egal, wer von den beiden zuerst umgebracht wurde – sie haben sich nicht gegenseitig ermordet. Wäre das der Fall, hätten wir sie an derselben Stelle gefunden, mit dem Messer und dem Revolver neben sich. Es muss eine dritte Person geben, die entweder einen von ihnen ermordet hat oder beide.«
Im aufgequollenen Gesicht und den müden Augen des Ermittlers zeigte sich ein höhnischer Ausdruck. »Jetzt wiederholst du Selbstverständlichkeiten. Ich dachte, darüber wären wir uns bereits bei der Obduktion einig gewesen? Der Arzt hat doch gesagt, dass keiner der beiden nach der Verwundung mehr weit kommen konnte.«
Knut überhörte die Unterbrechung, wollte seinen Gedankengang ungestört zu Ende bringen. »Nehmen wir an, eine dritte Person hat beide ermordet … oder Anton brachte Grigótovit um und wurde dann von einem anderen getötet. Dann wäre diese dritte Person über und über mit Blut bespritzt. Antons Kehle wurde in einem langen Bogen durchgeschnitten. Die Halsschlagader war durchtrennt. Aus einer solchen Wunde spritzt eine große Menge Blut. Der Mörder konnte gar nicht vermeiden, davon getroffen zu werden.«
»Gerade darum ist es so wichtig, die Suche auf diese Person zu konzentrieren. Oder ihre Kleidung …« Der Russe setzte sich in seinem Stuhl auf. Sie waren wieder auf der Spur, die er verfolgen wollte. »Wir müssen mit jemandem im Trust reden. Es braucht viele Leute, um von Haus zu Haus zu gehen …«
»Nein, warte.« Knut spürte, wie sich eine gelassene Zufriedenheit in ihm ausbreitete. »Es gibt eine andere Lösung. Wenn sie richtig ist, finden wir niemanden mit blutigen Klamotten. Anton wurde zuerst getötet. Grigótovit hat ihn umgebracht. Wenn wir suchen, werden wir ein Messer oder irgendetwas anderes im Stall finden. Vielleicht hatte er einen besonderen Raum, in dem er geschlachtet hat? Seine Kleidung muss, wie gesagt, vollkommen blutverspritzt gewesen sein. Es tropfte, als er zurück zum Stall ging, die Blutstropfen, die wir an der Straße fanden … Was er dort in den letzten Minuten seines Lebens getan hat, weiß ich allerdings nicht.«
»Und wer hat ihn ermordet?«, fragte Jewgeni Iwanowitsch. Er schüttelte den Kopf.
»Ich weiß nicht, wer die dritte Person ist«, räumte Knut ein. »Er oder sie muss gesehen haben, wie Grigótovit Anton umbrachte. Dann ist er ihm zum Stall gefolgt. Vermutlich ist Grigótovit in den Schweinekober gegangen, vielleicht, um den Eber zu füttern? Dort wurde er erschossen. Das Schwein bekam Angst. Wegen des Schusses, wegen des Blutgeruchs … und lief Amok. Trampelte und sprang, wollte aus dem Kober heraus. Antons Blut auf Grigótovits Sachen vermischte sich mit seinem eigenen Blutbad. Ein Polizeilabor würde dies alles bestätigen, auch, dass die Blutstropfen an der Straße von Anton stammen. Sie würden auch die Spuren von zwei Blutgruppen auf den Überresten von Grigótovits Kleidung finden.«
Vor den Fenstern des Konsulats wurde die Polardunkelheit allmählich ein wenig heller. Maschinengeräusche näherten sich vom Eingang des Bergwerks und von den Gebäuden am Ende des Abhangs. Es war Mittagszeit. Diejenigen Einwohner, die den Mut dazu hatten, versuchten so zu tun, als gingen sie die Morde der letzten Nacht nichts an.
»Ich verstehe, was du meinst«, sagte Rostov. »Diese dritte Person muss gar keine Blutflecke abbekommen haben. Es wurde aus wenigen Metern Abstand geschossen, vermutlich stand der Schütze außerhalb des Schweinekobers.«
Knut nickte und fühlte sich plötzlich so erschöpft, dass er nicht wusste, wie er sich aufrecht halten sollte. Eben noch hatte er sich an seiner eigenen Analyse erfreut. Er hatte das Gefühl, den Tag frontal angehen zu können. Nun sah er ein, dass sie schlafen mussten, der Russe ebenso wie er. »Ich leg mich ein paar Stunden ins Hotelzimmer«, erklärte er. »Du solltest dir auch ein bisschen Schlaf gönnen. Hören wir eine Weile auf?«
Es kostete ihn Kraft aufzustehen und die Treppe hinunter zur Straße zu gehen. Vor dem Konsulat fiel der Schnee so dicht, dass die Konturen der Gebäude am Abhang kaum noch zu sehen waren. Jeder konnte sich unbeobachtet in der Stadt bewegen. Sicher, nicht erkannt zu werden,
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